Mit der Ausstellung von Ingrid Wiener zeigt die Kunsthalle Bremerhaven die erste institutionelle Einzelausstellung der österreichischen Künstlerin (geb. 1942 in Wien) in Deutschland. Ingrid Wiener ist eine wichtige Figur der österreichischen Kunstszene. Sie stand in engem Kontakt mit den Wiener Aktionisten und nahm bereits Ende der 1950er-Jahre an Aktionen der Wiener Gruppe teil. Während Wiener zunächst mit u. a. Dieter Roth, VALIE EXPORT und Oswald Wiener zusammenarbeitete und gemeinsame Projekte realisierte, fertigte sie später eigene Gobelins an und erweiterte ihre Praxis um Kochperformances, Musikprojekte, Foto- und Filmarbeiten sowie Traumzeichnungen. Zudem war sie Chefköchin und Mitinhaberin der legendären Künstlerlokale „Matala“, „Exil“ und „Ax Bax“ in Berlin, in denen sie nicht nur ihre Leidenschaft fürs Kochen entwickelte, sondern in denen neben Künstlern wie Markus Lüpertz, Martin Kippenberger und die Jungen Wilden auch David Bowie, Jack Nicholson, Max Frisch und Peter O‘Toole ein- und ausgingen.
Wieners Ausstellung in der Kunsthalle ist retrospektiv angelegt und gibt einen Einblick in das vielgestaltige Werk der Künstlerin, die vor allem für ihre Gobelinwebereien, welche sie als zeitgenössisches Medium neu entdeckte, bekannt ist. Ihre Gobelins, die sie zunächst mit VALIE EXPORT für Friedensreich Hundertwasser, später in langjähriger Kooperation mit Dieter Roth realisierte, nehmen vor allem ihr alltägliches Umfeld in den Blick und widmen sich dem scheinbar Unbedeutendem und Nebensächlichen: Etwa einem Kabelsalat unter dem Schreibtisch, Rohren unter ihrem Badezimmer-Boden, Szenen vor ihrem Fenster, Einkaufslisten oder Schuhen. Wieners Gobelins sind „durchweg autobiografisch“, so Michaela Leutzendorff Pakesch, Co-Kuratorin der Ausstellung. „Sie webt Lebensreste, Erinnerungssplitter, Dinge und Orte, die sie berührt haben“. Diese Nebensächlichkeit scheint im Gegensatz zum Wesen der Gobelinweberei zu stehen, welche, aufgrund des aufwendigen und langsamen Prozesses, traditionellerweise vornämlich bedeutenden Momenten und Motiven vorbehalten war. Das mit dem Webprozess verbundene langwierige und zeitintensive Tun, welches, wie auch das Kochen und Gastgeben, ein stetes Kümmern und Sorge-Tragen verlangt, kann ausgehend von einer feministischen Ethik der Fürsorge als feministische Praxis gelesen werde. Und zwar eine, die, indem sie die "Aktion" von der Unmittelbarkeit, Unabhängigkeit und Autonomie hin zur Dauer, Abhängigkeit und Relationalität verschiebt, im Gegensatz zu den konfrontativ-aktionistischen Praktiken vieler Künstlerinnen aus der Generation Wieners steht.
Mit gleicher Aufmerksamkeit wirft die Ausstellung aber auch einen Blick auf Wieners Praxis als Filmemacherin und zeigt zudem eine Auswahl ihrer Traumaquarelle – Arbeiten in denen die Künstlerin ihre Träume in Bild-Text-Arrangements festhält, die oft absurde, surreale und humorvoll-skurrile Abwandlungen realer Ereignisse aus ihrem Leben darstellen.
...
Kuratiert von Stefanie Kleefeld und Michaela Leutzendorff Pakesch.
Kunstverein Bremerhaven von 1886 e.V.
Karlsburg 4
27568 Bremerhaven
www.kunstverein-bremerhaven.de
Presse
Kataloge/Medien zum Thema:
Ingrid Wiener
Kommunale Galerie Berlin
Stiftung Kunstforum Berliner Volksbank
Kunstbrücke am Wildenbruch
ifa-Galerie Berlin
Kunsthochschule Berlin-Weißensee