Die Installationskünstlerin Henrike Naumann bezieht ihre Inspiration aus den verschiedensten Quellen: Kunst, Produktdesign, Mode, Grafikdesign und dem Medium Video. Aus ihnen komponiert sie Installationen, die zugleich historische Räume und Ausstellungsräume sind. Neumanns größte Inspiration jedoch ist ihre eigene Lebensgeschichte. Sie wurde in der DDR geboren und erlebte die Veränderungen ihres Heimatlandes aktiv mit, welches von der Wiedervereinigung und ihren nicht eingehaltenen Versprechungen, der Ausbreitung des Neoliberalismus und dem zügellosen Konsumismus in den Neunzigerjahren geprägt war. Beobachtend untersucht sie die Zusammenhänge von Architektur, Einrichtungsgegenständen und politischer Ideologie sowie den ihnen zugrundeliegenden Machstrukturen.
So verweist sie in ihren Arbeiten unter anderem auf den expressionistischen Maler Emil Nolde, dessen Nähe zum Nationalsozialismus die Hängung seines Werkes im Kanzlerbüro zu Zeiten Angela Merkels zurecht in ein kritisches Licht stellte. Allein die Tatsache, dass sie sich mit den NSU (Nationalsozialistischer Untergrund) – Terrorist:innen Beate Zschäpe, Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos, die unentdeckt im bürgerlichen Untergrund lebten, den Heimatort teilt, gibt ihr Grund für die persönliche Auseinandersetzung mit den faschistischen Tendenzen ihrer alten „Heimat“.
Henrike Naumann spürt immer der Frage nach, wie die Gestaltung von Räumen und Objekten unbewusst auf ihre Bewohner:innen bzw. Konsument:innen wirkt. Möbel, mit denen wir unsere Innenräume ausstatten und die eine vermeintliche Neutralität aufweisen, stellt Neumann infrage, fokussiert sich auf deren ideologische Botschaften und baut eine Brücke zwischen Historie, Innenarchitektur und dem kollektiven Unterbewussten.
Anlässlich ihrer Ausstellung „WESTALGIE“ nimmt uns Henrike Naumann mit ins Jahr 1990.
Ausgangspunkt dieser für den steirischen herbst (2018) entwickelten Arbeit „Anschluss'90“ (2018) ist die Frage, wie Österreich auf die Wiedervereinigung Deutschlands noch hätte reagieren können. Ihr alternatives Geschichtsszenario sieht so aus, dass Österreich sich freiwillig der BRD angeschlossen hätte und damit dem expandierenden BRD-Kapitalismus weitere Absatzmärkte hätte bescheren können. Für das IKOB spinnt sie das Gedankenexperiment weiter. Was – so die Frage – wäre, wenn sich auch die Deutschsprachige Gemeinschaft plötzlich zur BRD hingezogen gefühlt hätte und Teil der BRD geworden wäre? Wie hätte das ausgesehen?
Die Ausstellung findet in Kooperation mit dem Centre d’art contemporain – la synagoge de Delme statt, wo Henrike Naumann 2021 dieselbe Ausgangsfrage – nur eben im Norden Frankreichs – stellte. Um den thematischen Raum des Museums noch in andere Richtungen zu öffnen, lud Henrike Naumann Tom Bogaert und Merle Vorwald ein, das Erdgeschoss zu bespielen.
HENRIKE NAUMANN (*1984, Zwickau, DE) ist eine deutsche, in Theater- und Filmdesign ausgebildete Künstlerin und beschäftigt sich häufig mit Fragen der deutschen Identität. Sie ist in Ostdeutschland geboren, erlebte, dort, wie Neonazis in manchen Landstrichen die dominante Jugendkulturszene darstellten und beschäftigt sich neben der geschichtlichen Seite, ebenfalls mit aktuelleren Geschehnissen, die eben diesen Spiegel der Historie vorhalten. Naumann stellte unter anderem im Centre d’art contemporain – la synagogue de Delme (FR), im Museum Abteiberg, Mönchengladbach (DE) sowie im SculptureCenter, New York (USA) aus. Sie lebt in Berlin.
Parallel eröffnen die Ausstellungen:
24.01.–16.04.2023
Merle Vorwald
DAUERGLOSS
24.01.–16.04.2023
Tom Bogaert
VENDELZWAAIER-FLAGGENWERFER
IKOB
Museum für Zeitgenössische Kunst
/Musée d’Art Contemporain
/Museum of Contemporary Art
Rotenberg 12b, 4700 Eupen
Belgien / Belgique / Belgium
www.ikob.be
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