Die mexikanische Künstlerin Teresa Margolles (*1963, Culiacán) umkreist mit ihren meist skulptural-installativen Werken Themen wie Tod, Gewalt und soziale Ausgrenzung. Sie engagiert sich seit Beginn der 1990er Jahre zudem als Freiwillige in der gerichtsmedizinischen Abteilung eines Obduktionshauses in Mexiko-Stadt, wo täglich zahlreiche, vorwiegend anonyme Opfer von Gewaltverbrechen angeliefert werden. Vor diesem
gesellschaftlichen Hintergrund entstehen ihre minimalistisch gehaltenen Arbeiten. Seit 2005 untersucht die Künstlerin vor allem die Gewaltexzesse in der nordmexikanischen Grenzstadt Ciudad Juárez und den ebendort tobenden Drogenkrieg. Auch für ihre erste institutionelle Schweizer Einzelausstellung beschäftigt sich Margolles mit Ciudad Juárez als Ort des Verbrechens. Im Zentrum steht eine seit Anfang der 1990er Jahre andauernde, mysteriöse Serie an Frauenmorden. Margolles interessiert sich dabei primär für Spuren, welche die brutalen Delikte auf Architekturen hinterlassen, und dafür, wie diese den Alltag der Menschen prägen. Durch die Transposition solcher Spuren in einen Ausstellungsraum
erzeugt die Künstlerin eine spannungsgeladene Wechselwirkung zwischen nüchterner Präsentation und unerbittlichem Realismus.
Als Gründungsmitglied der Künstlergruppe Semefo (Servicio Médico Forense), deren Namen sich an den gerichtsmedizinischen Dienst von Mexiko-Stadt anlehnt, beschäftigte sich Teresa Margolles bereits zu Beginn ihrer Karriere Anfang der 1990er Jahre mit brisanten Materialien und den aufrüttelnden Themen, die sie bis heute umtreiben. Auch wenn ihre Werke zuweilen stark polarisieren, geht es der Künstlerin nicht darum zu schockieren. Vielmehr will sie soziale Ungerechtigkeiten in ihrer Heimat aufzeigen, die auch nach dem Tod weiterexistieren: Die anonymen
Leichen von Gewaltverbrechen verschwinden häufig in Massengräbern; dasselbe passiert mit Toten, deren Familien nicht genügend finanzielle Mittel für eine Beerdigung aufbringen können.
Die Spuren solcher toter Körper – auch wenn sie nur minimal vorhanden sind – stehen in Margolles Werken für das Wertesystem einer Gesellschaft im Ausnahmezustand. In einem Interview mit dem Kurator der Ausstellung, Raphael Gygax, erklärt Margolles: «Es ist eine Form von perversem
Minimalismus. Der historische Minimalismus hat keine Emotionen. Alle meine Arbeiten sind jedoch stark mit Emotionen besetzt. Die Menschen konzentrieren sich bei minimalistischen Formen besser auf ihre Emotionen.»
Im Rahmen ihrer ersten institutionellen Schweizer Einzelausstellung wird Margolles eine neue Arbeit präsentieren. Im Fokus des installativen Werks steht die Stadt Ciudad Juárez als Ort des Verbrechens, insbesondere eine seit Anfang der 1990er Jahre andauernde mysteriöse Serie an
Frauenmorden. Margolles' Augenmerk liegt dabei auf den Spuren, welche die brutalen Delikte auf Architekturen hinterlassen. Die Millionenstadt Ciudad Juárez an der Grenze zu den USA gilt als eine der am schnellsten wachsenden Städte Mexikos und nimmt in der Verbrechensstatistik des
Landes eine Spitzenposition ein. In jüngster Zeit scheint sich dies aber zu ändern, da die Regierung konsequenter eingreift: Bereits 2012 sank die Zahl der Opfer von Verbrechen deutlich; besonders Delikte im Zusammenhang mit Drogen sind zurückgegangen. Die seit den 1990er Jahren
anhaltenden Morde an Frauen nehmen allerdings nicht ab. Laut Amnesty International wurden zwischen 1993 und 2005 nicht weniger als 370 Frauen und Mädchen getötet. Lokale Frauenrechtsorganisationen beziffern die Zahl auf 700 Tote zwischen 1993 und 2013. In den ersten Jahren waren die Opfer vorwiegend Arbeiterinnen der Montagefabriken amerikanischer Konzerne – in jüngster Vergangenheit sind es vermehrt junge Frauen, die studieren oder noch zur Schule gehen. Viele Leichen, die gefunden werden, sind auf sadistische Art und Weise verstümmelt.
Obwohl es immer wieder zu Festnahmen kommt, hört die Mordserie nicht auf, und auch die Motive bleiben bis heute im Dunkeln. Solche geschlechtsbezogenen Morde, sogenannte Femizide, werden etwa auch in anderen mexikanischen Staaten und weiteren Ländern Zentralamerikas wie
Guatemala, Nicaragua und Honduras begangen.
In der Ausstellung ist neben Margolles neuer Arbeit zu den Frauenmorden in Ciudad Juárez die Skulptur Mesa y dos bancos zu sehen. Sie besteht aus einem Tisch und zwei Bänken aus Beton. Beim Anmischen des Betons wurde ein Deziliter Wasser beigefügt, welches für das Waschen von Mordopfern in mexikanischen Leichenhäusern benutzt worden war. Das Wasser wurde desinfiziert und ist gesundheitlich unbedenklich. Durch die Präsentation der Skulptur in einer westlichen Stadt wird der globale Drogenmarkt mittelamerikanischer Kartelle und die damit verbundenen
erbarmungslosen Morde auf formal subtile Art thematisiert.
Die Arbeiten von Margolles wurden international gezeigt – unter anderem in der Kunsthalle Fridericianum, Kassel (Einzelausstellung, 2010/11), an der Venedig-Biennale (2009), an der Manifesta (2008), im Museum für Moderne Kunst, Frankfurt (Einzelausstellung, 2004), in der Kunsthalle
Wien (Einzelausstellung, 2003) und an der Lyon-Biennale (2000). 2010 zeigte das Migros Museum für Gegenwartskunst 37 cuerpos / 37 Bodies (2007) von Margolles im Rahmen der Gruppenausstellung Une Idée, une Forme, un Être – Poésie / Politique du corporel.
Migros Museum für
Gegenwartskunst
Limmatstrasse 270
8031 Zürich
migrosmuseum.ch
Pressemitteilung
Kataloge/Medien zum Thema:
Teresa Margolles
Galerie Beyond.Reality.
Haus am Lützowplatz / Studiogalerie
Kunsthochschule Berlin-Weißensee
neurotitan
Kommunale Galerie Berlin