Die Schirn Kunsthalle Frankfurt widmet vom 22. Juni bis zum 1. Oktober 2023 der bewegten Geschichte von Plastik in der bildenden Kunst erstmals eine große Themenausstellung. Diese eröffnet das breite Panorama der künstlerischen Verwendung und Bewertung des Materials von den 1960er-Jahren bis heute. Das Spektrum reicht von der Euphorie der Popkultur über den futuristischen Einfluss des Space Age und die Trash-Arbeiten des Nouveau Réalisme bis zu ökokritischen Positionen der jüngsten Zeit; es umfasst Architekturutopien ebenso wie Experimente mit Materialeigenschaften. Objekte, Assemblagen, Installationen, Filme und Dokumentationen zeigen die Vielfalt der Stoffe, Formen und Materialien und spiegeln dabei auch den jeweiligen gesellschaftlichen Kontext.
Plastik ist überall. Es durchdringt die Gegenwart, ist billig, nahezu weltweit verfügbar und im Alltag omnipräsent. Ob hart oder flexibel, transparent, opak, gemustert, glatt, zart oder bunt, aus Kunststoffen können heute beinahe alle Dinge hergestellt werden. In den 1950er-Jahren feierten sie ihren großen Durchbruch und wurden zum Symptom und Symbol der Massenkultur – das „Plastic Age“ war geboren. Und auch in die Kunst hielten Kunststoffe aufgrund ihrer immensen gestalterischen Möglichkeiten früh Einzug, sie wurden schnell zu einem zentralen Material und Vehikel der Innovation. Auf der Suche nach dem Neuen wurde mit den jeweils aktuell verfügbaren Stoffen wie Plexiglas, Styropor, Silikon, Vinyl oder Polyurethan und industriellen Fertigungstechniken experimentiert. Dabei feierte die Pop Art im Konsumrausch der Zeit das neue künstliche und günstige Material in seiner bunten Brillanz und seinen leuchtenden Farben. Plastik wurde in fantastisch anmutenden Räumen und Environments genutzt oder bei Happenings aufgepumpt, geschäumt und gegossen. Die Faszination für Weltraumforschung, Mondlandung und High-Tech-Materialien beflügelte die bildende Kunst ebenso wie die Architektur zu luftigen Konstruktionen und progressiven Raumkonzepten. Gleichzeitig gab es neben den minimalistischen Arbeiten der Finish Fetish Artists schon Ende der 1960er-Jahre Akkumulationen von Trash, die die Exzesse des Massenkonsums und die ökologische Dimension von Plastik in den Blick nahmen. Diese Perspektive wird heute angesichts der enormen Verbreitung von Kunststoffen und der Belastung der Umwelt in künstlerischen Arbeiten vermehrt aufgegriffen.
„Plastic World“ versammelt 100 Werke von über 50 internationalen Künstler*innen, die auf unterschiedlichste Weise mit Kunststoff arbeiten, darunter Monira Al Qadiri, Archigram, Arman, César, Christo, Haus-Rucker-Co, Eva Hesse, Hans Hollein, Craig Kauffman, Kiki Kogelnik, Gino Marotta, James Rosenquist, Pascale Marthine Tayou und Pınar Yoldaş. Die Ausstellung macht deutlich, wie sich der erfolgreiche vielseitige Werkstoff Plastik in seiner kurzen Geschichte vom Inbegriff für Fortschritt, Modernität, utopischen Geist und Demokratisierung des Konsums zu einer Bedrohung für die Umwelt wandelte.
Schirn Kunsthalle Frankfurt
RÖMERBERG
D-60311 FRANKFURT
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