Als das Mitbestimmungs-, Forschungs- und Studienförderungswerk des DGB vergibt die Düsseldorfer Hans-Böckler-Stiftung seit über 30 Jahren Stipendien an Studierende aller Fachrichtungen, unter anderem auch an bildende Künstler. Der Stiftung ist vor allem an guten Leistungen und gesellschaftlichem Engagement der zukünftigen Schützlinge gelegen, d.h. anders als bei den meisten Künstlerstipendien üblich, werden die Bewerber nicht von einer speziellen Fachjury oder einem Kuratorium ausgewählt. Damit beauftragt, die erste Ausstellung der Hans-Böckler-Stipendiaten zu kuratieren, musste sich Carla Orthen deswegen zunächst einmal durch einen Wust aus disparaten künstlerischen Positionen kämpfen, bis sie ihre acht (zufälligerweise) Kandidatinnen für die Schau beisammen hatte. Die mit STABILE UNRUHE // betitelte Ausstellung mit aktuellen Werken von Bianka Buchen, Elvira Hufschmid, Ulrike Mohr, Betty Pabst, Katja Pudor, Beathe Rathke, Inge Schmidt und Gaby Wiegelmann ist bis zum 15. Juni 2008 der ehemaligen Backfabrik des CON-SUM Geländes zu sehen.
Unter den Antonymen von Stabilität und Unruhe subsummiert, werden in den ausgewählten Arbeiten Situationen, Orte oder Lebensentwürfe thematisiert, die durch eben jenes Gegensatzpaar geprägt sind. So zielt z.B. Gaby Wiegelmanns Video >Name, Alter, Geschlecht< (2006), in dem verschiedene Menschen sowohl in ihrer weiblichen als auch in ihrer männlichen Identität vor die Kamera treten, auf einen Trans-Gender-Diskurs ab. Von einer monotonen Beamtenstimme nach den Personalien befragt, definiert hier eine Frau im “kleinen Schwarzen“ ihr Geschlecht als "Mal er, mal sie, mal es - je nachdem wie der Wind gerade weht". Ein älterer Mann mit weißem Hemd und brauner Hose dagegen beantwortet die Frage nach seinem Beruf mit "Medizinerin" und eine Frau mit grüner Strickjacke und großer Brille beschreibt ihre Lebensform als ein "Beziehungsgeflecht aus unterschiedlichen zwischenmenschlichen Kontakten,...Wahlfamilien, Freundschaften...". Klare Geschlechtereinteilungen lösen sich auf und die sturen, bürokratischen Kategorien des Fragenden scheinen immer unzulänglicher im Hinblick auf den Versuch, damit eine individuelle Persönlichkeit festhalten zu wollen.
Einen weitern Aspekt der Unbeständigkeit und der Unruhe behandelt Bianka Buchen in ihrem Projekt >Veringstr. 10 – 20<. Die Wuppertaler Künstlerin spürt den durch städteplanerische Maßnahmen bedingten sozialen Veränderungen im Hamburger Stadtteil Wilhelmsburg nach, indem sie den Wandel einer Einkaufsstraße von jetzt bis zum Jahre 2013 dokumentiert. Die recht nüchternen Photos werden durch in Regalen platzierte Gegenstände, die mit dem jeweils abgebildeten Ort verbunden sind, ergänzt. Was jetzt noch im kargen IKEA-Design daher kommt, könnte in fünf Jahren, wenn das Projekt beendet sein wird, durchaus an ästhetischem Reiz und soziologischen Einblicken gewonnen haben.
Das Werk von Ulrike Mohr besteht aus zehn auf verschiedenen Frequenzen sendenden Weltempfängern, deren undurchdringbarer Klangteppich aus sich überlagernden Geräuschen, Stimmen, Wortfetzen und Musikfragmenten einen tatsächlich >Slightly Paranoid< werden lassen könnte. Die kleinen Geräte sind wie ein Stammbaum an der Wand angebracht, dessen weit verzweigte Äste in einem Signal zusammenlaufen. Die Bündelung der verschiedenen Klangwellen führt jedoch letztlich zum Verlust der (relevanten) Einzelinformation.
Die Ausstellung wird durch eine Lesung mit Bianka Buchen und Peter Bike (18. Mai, 16.00 h: Besetze deine Stadt! – BZ din BY!) und eine Performance samt Videoscreening (8. Juni, 16.00 h: The way things look) ergänzt.
Abbildung: Blick in die Ausstellung, copyright Stefanie Ippendorf
STABILE UNRUHE //
Eine Ausstellung mit Stipendiatinnen der Hans-Böckler-Stiftung
18.Mai - 15.Juni 2008
back-raum im CON-SUM
Ronsdorfer Str. 77a
40233 Düsseldorf
stabileunruhe.de
Stefanie Ippendorf
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