Seit über fünfzig Jahren ist das Kabinett für aktuelle Kunst in Bremerhaven ein bedeutender Ort für zeitgenössische Kunst. Trotzdem ist es kunsthistorisch wenig erforscht. Mit einer Ausstellung von über 50 Künstlerplakaten in den Studiensälen widmet sich die Kunsthalle Bremen nicht nur der beeindruckenden Ausstellungshistorie des Kabinetts, sondern würdigt auch das langjährige Schaffen des Initiators und Ausstellungsmachers Jürgen Wesseler, der mit dem Kabinett für aktuelle Kunst die norddeutsche Region über 50 Jahre als wichtigen Ort zeitgenössischer Kunstproduktion und -vermittlung geprägt hat.
Kaum ein anderer Ort in der Region hat so kontinuierlich und ausdauernd zeitgenössische Kunst gezeigt wie das legendäre Kabinett für aktuelle Kunst in Bremerhaven. Es wurde 1967 von einer Gruppe junger Bremerhavener gegründet und seitdem durch den Kurator Jürgen Wesseler geleitet. Unter den Künstlern, die in den vergangenen Jahrzehnten ihre Arbeiten im Kabinett ausgestellt haben, finden sich zentrale Vertreter der Gegenwartskunst wie Carl Andre, Isa Genzken, Gerhard Richter und Gregor Schneider.
„Das ist ja eigentlich vom Raum her ein kleiner Raum[,] […]- nicht explizit ein Kunstraum. Aber er ist ein Kunstraum geworden durch die Kunst. Durch die unglaubliche Qualität der Ausstellungen, die hier stattfanden und durch das, was die Künstler mit diesem Raum gemacht haben. So ist dieser Raum einfach gar nicht mehr vergleichbar mit etwas anderem, sondern ein ganz besonderer Raum geworden.“ (Elisabeth Wagner)
„Das Kabinett ist nicht zu ersetzen.“ (Andreas Slominski)
Die Ausstellung in der Kunsthalle Bremen präsentiert erstmals die Künstlerplakate, die zwischen den 1960er- und 1980er-Jahren von international führenden Künstlern für das Kabinett für aktuelle Kunst gestaltet wurden. Ergänzt werden die rund 60 Plakate durch Entwürfe und Skizzen. Fotografien, Briefe und Notizen erzählen von der persönlichen Bindung zwischen den Künstlern und dem Kurator des Kabinetts für aktuelle Kunst und veranschaulichen die Entstehung der Plakate. Die in Bremen ausgestellten Künstlerplakate wurden u.a. von Bernd und Hilla Becher, Blinky Palermo, Bas Jan Ader, Marina Abramovic und Hanne Darboven gestaltet. Darunter befinden sich teilweise unpublizierte, noch unbekannte Frühwerke von international anerkannten Künstlern wie Lawrence Weiner, Gerhard Richter oder Franz Erhard Walther. Die Originalsiebdrucke wurden von den Gründern des Kabinetts eigenhändig im Keller der Bremerhavener Kunsthalle gedruckt und standen teilweise in enger konzeptueller Verbindung zu den ausgestellten Werken.
Arbeiten aus der Sammlung der Kunsthalle Bremen von Blinky Palermo, Gerhard Richter, Franz Erhard Walther und Andreas Slominski ergänzen die Schau mit zentralen Werken.
Das Kabinett für aktuelle Kunst
Im Geist der späten 1960er-Jahre wurde in Bremerhaven das Kabinett für aktuelle Kunst gegründet. Den Raum stellte der alteingesessene Kunstverein Bremerhaven zu Verfügung, der seit 1964 in der ersten Etage desselben Gebäudes ein Domizil für seine Kunsthalle gefunden hatte. Im Erdgeschoss sollte eine zu verpachtende Ladenzeile Einnahmen generieren, doch eine Boutique blieb leer und wurde somit einem Kreis junger Bremerhavener um Jürgen Wesseler als Ausstellungsraum zugedacht.
Obwohl Bremerhaven keine Studentenstadt war, schwappte die revolutionäre Atmosphäre in die Hafenstadt über und die jungen Akteure sahen das Kabinett als Freiraum an, um der eigenen Protesthaltung durch die Kunst Sichtbarkeit zu verleihen. Anfangs wurde der Raum von einer Gruppe betrieben, über die Jahre entwickelte sich Jürgen Wesseler jedoch zum alleinigen Kurator. Er lud die Künstler in die Hafenstadt ein, beherbergte sie und baute die Ausstellungen gemeinsam mit ihnen auf. Besonders hervorgehoben wurde von Künstlern wie Stephan Balkenhol oder Gregor Schneider sein kollegiales Verständnis, sein Zugriff auf deren Kunst und das hohe Maß an Freiheit, das sie in Bremerhaven vorfanden. Eindringlich wird dies in Gregor Schneiders Worten verständlich: „Ich habe schon mit den verschiedensten Ausstellungsmachern zusammengearbeitet, aber er ist sicherlich in seiner Generation der profilierteste, obwohl er nicht die großen Ausstellungen im Museum of Modern Art, in Venedig oder auch der Documentas der Welt gemacht hat. Er hat durch seine Bescheidenheit und durch seinen Charakter eigentlich sein eigenes Format erschaffen, was in dieser Form unvergleichbar ist.“
Trotz der hohen Anerkennung, die dem Kabinett durch die Künstler über Jahrzehnte zuteilwurde, ist es bis heute wenig erforscht. Schon früh prägte sich das Sprichwort, dass man das Kabinett in New York kenne, obwohl es im eigenen Land nahezu unbekannt sei. Erstmals wird nun versucht, sich dieser besonderen Kunstgeschichte anhand der außergewöhnlichen Künstlerplakate zu nähern.
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