Der Videokunst Förderpreis ist ein fester, über Jahre gewachsener Bestandteil der Bremer Kulturlandschaft. Seit 1992 setzt der Preis, vergeben vom Filmbüro Bremen, konsequent auf junge, avancierte Positionen, die abseits des Mainstreams spannende Projekte im Bereich der Videokunst verfolgen und das in ihrer ganzen Vielfalt – von linear erzählten, audio-visuellen Arbeiten bis hin zu raumgreifenden Installationen. Das Besondere: prämiert werden keine bereits existierenden Arbeiten, sondern vielversprechende Konzepte, die mit Hilfe des Preisgeldes realisiert werden und in Bremen ihre Premiere feiern. Die Weserburg präsentiert in diesem Jahr die Preisträger Kenji Ouellet und das Künstlerpaar Hassan Sheidaei/Farzia Fallah. Neben den beiden neuen, erstmals öffentlich zu sehenden Videoprojektionen erweitern die Künstler die Ausstellung um mehrere Arbeiten aus unterschiedlichen Phasen ihres Schaffens. In diesem Kontext wird die visuelle Kraft und erzählerische Qualität der beiden sehr unterschiedlichen Positionen in ihrer Breite augenfällig.
"My body is like breakfast, lunch, and dinner. I don't think about it, I just have it." – der Frankokanadier Kenji Ouellet widmet sich in seiner neuen Videoarbeit der Welt des Balletts. Mit "In dog Years I'm dead" (2017) begleitet er junge Tänzerinnen, die ihre anstrengenden Proben und Trainingseinheiten eindrücklich kommentieren. Ihre Gedanken sind bekannten Persönlichkeiten entliehen – von Kim Kardashian und Sasha Grey über Toni Bentley, Samuel Beckett bis hin zu internationalen Choreografen wie Mikhail Baryschnikov und George Balanchine. Die denkwürdigen, bisweilen philosophisch tiefgründigen Einlassungen, durchsetzt von humorvollen Statements und auch banal anmutenden Weisheiten, entwerfen ein ebenso faszinierendes wie widersprüchliches Porträt. Selbstdisziplin, künstlerische Hochleistung, unerbittlicher Leistungsdruck und alltägliche Qualen. Zwischen Ideal und Wirklichkeit, Kunst und Tanz geht es um etwas Wesentliches: um Identität, Körper und Leidenschaft.
Hassan Sheidaei und Farzia Fallah, beide in Teheran geboren, leben und arbeiten seit vielen Jahren in Bremen, wo sie zusammen, aber auch unabhängig voneinander Arbeiten und Projekte entwickeln. Mit „Das Vergessen“ (2017) schaffen sie einen besonders eindrücklichen Erfahrungsraum. Die bewusst reduzierten Videobilder, die nur wenig andeuten, sich mitunter im Dunkeln verlieren, treffen auf eine von Farzia Fallah speziell komponierte, polyfone Klangebene. Ausgangspunkt für die Arbeit war eine Meldung in den Nachrichten. Mehrere Männer, Frauen und Kinder wurden in einem LKW am Rande einer Autobahn aufgefunden – zurückgelassen von ihren Schleppern, auf unmenschliche Weise erstickt. Das Schicksal der Flüchtlinge wird von den Künstlern nicht in konkreten Bildern gefasst. Das Geschehen wird auch nicht kommentiert oder zu einem künstlerischen Appell verkürzt. „Das Vergessen“ ermöglicht stattdessen durch das spannungsreiche Zusammenwirken von Musik- und Bildebene eine intensivierte Wahrnehmung, in dem menschliches Leid, Tragödien und kulturelle Konflikte, Erinnern und Vergessen gleichermaßen aufscheinen.
Jury
Der dreiköpfigen unabhängigen Fachjury gehörten Frieder Nake (Informatiker und Künstler, Bremen), Ulrike Pfeiffer (Filmemacherin und Fotografin, Hamburg) und Ivo Wessel (Informatiker und Sammler, Berlin) an. Nach ausführlicher zweitägiger Bewertung und Diskussion der vorgeschlagenen 130 eingereichten Projekte wurde einstimmig entschieden: der erste Preis (dotiert mit 5.000 Euro) geht an Kenji Ouellet, der zweite Preis (dotiert mit 1.500 Euro) an Hassan Sheidaei und Farzia Fallah. Eine Liste aller bisherigen Preisträger finden Sie unter filmbuerobremen.de/bisherige-preistraeger/
Museum für moderne Kunst Weserburg Bremen
weserburg.de
Presse
Kataloge/Medien zum Thema:
Kenji Ouellet
Kunsthochschule Berlin-Weißensee
Kommunale Galerie Berlin
ifa-Galerie Berlin
Haus am Kleistpark
Galerie im Körnerpark