Die koreanische Künstlerin Yoon-Hee studierte zu Beginn ihrer Karriere in Seoul, wo sie 1974 ihren Master of Fine Arts absolvierte. Ab 1983 ist sie zunächst in Paris tätig und siedelt dann 1986 ganz nach Frankreich über. Sie vereint – wie so viele Künstler*innen, die aus dem asiatischen Raum nach Europa kommen – beide Kulturen und Sichtweisen in ihrem Werk. Vielfach eingeladen von musealen Institutionen in Frankreich wie auch in Korea realisiert Yoon-Hee zahlreiche Projekte in sito.
Yoon-Hee befasst sich mit verschiedenen Zuständen von Materialität und Prozessen, die sie wesentlich aus ihrer intensiven Beobachtung der Natur schöpft. Dabei nutzt sie das Starre und Solide ebenso wie das Fluide, kaum Greifbare. Immer geht es ihr dabei um das Verhältnis von Außen und Innen und seine Beziehung zum Raum oder auch zum naturhaften Kontext.
Ihre Werke zeichnen sich zunächst durch eine schlichte, oftmals archaisch wirkende Formgebung aus, da sie mit klassischen geometrischen Systemen arbeitet: dazu gehören (Halb-)Kugeln, Kegel, Zylinder oder Rechtecke. Wenngleich sie diese Formen als Konstanten beibehält, höhlt sie diese gleichsam aus dem Innersten aus und verleiht ihnen so eine ungekannte Durchlässigkeit und bisweilen sogar Fragilität. Dies ist nicht zuletzt auf die Gestaltung der Texturen und Oberflächen zurückzuführen, die den Moment festhalten, in welchem die Künstlerin abrupt den Prozess unterbricht, in welchem sich das fließende Metall befand. Sie selbst bezeichnet daher ihre Werke als ein Fragment aus der Natur („fragments de nature“).
Der Titel der Ausstellung „non finito“ spiegelt ein zentrales Element von Yoon-Hees Arbeit wieder: Der Zustand vieler ihrer Skulpturen scheint wie in einem Zwischenzustand des Herstellungsprozesses stehengeblieben zu sein, was diesen ihre einzigartige Anmut verleiht. Ihre Werke sind eingefrorene Augenblicke, wie es auch der Titel “Saisie d’instant” („Ergreifung des Augenblicks“, oder auch „Momentaufnahme“) verrät. Paradoxerweise spielt bei Yoon-Hees Kunstwerken das Konzept des „NichtHandels“ nach dem chinesischen Philosophen Lao-Tse eine besondere Rolle: Obwohl sie ihr Handwerk beherrscht und große Skulpturen mit Hilfe industrieller Techniken erstellt, sieht sie sich als passiv an, da sie das Ausgangsmaterial und die Hilfsmittel nimmt, die sie vorfindet. Außerdem lässt sie die Natur und ihre chemischen und physikalischen Gesetze bei der Herstellung der Skulpturen wirken, weshalb sie selbst im Sinne östlicher Philosophien „nicht-handelt“, sondern nur den Prozess beeinflusst.
Doch auch aus der europäischen Kunstgeschichte lässt sie sich inspirieren: wie beim Werk „Les trois ombre“ des französischen Bildhauers Auguste Rodin (1840-1917) ist die serielle Kreation ein künstlerischer Ausdruck von Yoon-Hee. Die Künstlerin nutzt eine Form mehrmals, um Skulpturenreihen zu erschaffen, die sich ähneln, aber dennoch Unikate sind. Ihre Skulpturen nehmen mitunter bewusst Bezug auf den lothringischen Renaissancekünstler Ligier Richier (1500-1567), der in seinem Werk „Le Transi“ (1547) das Leben über den Tod stellte und dies mit einem fast Hüllenlosen Körper vermittelte.
Zu ihrem skulpturalen Werk entstand zudem ein umfangreiches Oeuvre an Zeichnungen bzw. Malereien, in denen sie Prozesse abbildet, die sie ebenso in der Skulptur auslotet. Gerade in ihren großformatigen Zeichnungen jedoch empfindet der Betrachtende am ehesten ihre asiatischen Wurzeln: Die Reduktion auf Wesentliches und der Schwarz-Weiß-Kontrast.
Yoon-Hees Kunstwerke erinnern in ihrer Schlichtheit den modernen Menschen an Elementares und mitunter an Archaisches, vor allem jedoch an etwas, das der Natur sehr anverwandt ist, indem sie die physikalischen und chemischen Prozesse der Welt sichtbar werden lassen.
Ludwig Museum Koblenz
Esther-Bejarano-Str. 1, 56068 Koblenz
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