Mit der Ausstellung "Zelluloid. Film ohne Kamera" widmet sich die Schirn Kunsthalle Frankfurt künstlerischen Experimentalfilmen, bei denen das Bild direkt und durch physische Bearbeitung des Filmstreifens hervorgebracht wird.
Das filmische Bild wird in diesen Experimenten auf unterschiedliche Weise in seiner materiellen Beschaffenheit erforscht. Durch Malerei, Zeichnung, Collage auf Zelluloid, Ritzen und Kratzen in der Bildemulsion, chemische Verfremdung oder die direkte Belichtung des fotoempfindlichen Bildträgers wird der Filmstreifen von seiner konventionellen Verwendung entfremdet und gleichsam als künstlerische Leinwand benutzt.
Die Ausstellung will im Sinne einer Überblicksausstellung, unterschiedliche Herangehensweisen eines solchen "direct film" präsentieren. Während die frühesten materiellen Experimente bereits in der filmischen Avantgarde der 1910er und 1920er Jahre ansetzen, fokussiert die Ausstellung insbesondere Werke von den 1930er Jahren bis heute.
Als eigentliche Pioniere des sogenannten "direct film" werden Len Lye (1901–1980) und Norman McLaren (1914–1987) vorgestellt, die Mitte der 1930er-Jahre in Großbritannien mit unterschiedlichen Ansätzen begannen, die Möglichkeiten des "Films ohne Kamera" systematischer zu ergründen.
In der Folgezeit suchten immer mehr Künstler und Filmemacher nach Ansätzen, den Filmstreifen in seiner Materialität produktiv zu nutzen. In der Ausstellung sind unter anderem die handbemalten, mystisch-psychedelischen Filme des Amerikaners Harry Smith (1923–1991) oder die Film-Collagen von Stan Brakhage (1933–2003) zu sehen.
Die in Schwarzfilm gekratzten Buchstabenfolgen von Dieter Roth (1930–1998), sowie die Farbkosmen des baskischen Malers José Antonio Sistiaga (*1932) fächern ein breites Spektrum des kameralosen Films der 60er Jahre auf.
Im Kontext zeitgenössischer Kunst und einer von digitalen Medien beherrschten Welt registrieren die Ausstellungsmacher eine regelrechte Wiederentdeckung des Zelluloidstreifens, dessen sinnliche und haptische Qualitäten sich mit elektronischen Bildern kaum hervorbringen ließen. In diesem Kontext werden Filme von Luis Recoder und Jennifer West vorgestellt, deren Filmräume explizit an Geschmacks-, Gehör- und Geruchssinne appellieren.
Künstlerliste:
Stan Brakhage, Tony Conrad, Cécile Fontaine, Amy Granat, Ian Helliwell, Hy Hirsh, Takahiko Iimura, Emmanuel Lefrant, Len Lye, Norman McLaren, Bärbel Neubauer, Luis Recoder, Jennifer Reeves, Dieter Roth, Pierre Rovère, Schmelzdahin, José Antonio Sistiaga, Harry Smith, Aldo Tambellini, Marcelle Thirache und Jennifer West
Abbildung: IAN HELLIWELL, GET SET (DETAIL 5), 2005, Super 8, digitalisiert, DVD, Farbe, Ton, 3:20 min., Sound: Ian Helliwell
© und Courtesy Ian Helliwell
Ausstellungsdauer: 2.6.-29.8.10
Öffnungszeiten:
Di,Fr–So 10–19 Uhr
Mi,Do 10–22 Uhr
Schirn Kunsthalle Frankfurt
Römerberg
60311 Frankfurt
schirn-kunsthalle.de
Verena Straub
Kataloge/Medien zum Thema:
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