Zeitgenössische Popkultur, wie sie beispielsweise in R&B-Musik ihren Ausdruck findet, beschäftigt sowohl ALEXANDRA BACHZETSIS als auch CLAIRE HOOPER in ihrem Werk. Während BACHZETSIS eher analysierend dekonstruiert, nutzt HOPPER die darin angelegten verführerischen Aspekte für ihre eigenen Zwecke. Die Künstlerinnen beschäftigen sich mit der zunehmenden Bedeutung, welche die Inszenierung von „Persönlichkeit“ und „Leben“ durch die sozialen Medien gewinnt.
HOOPER verbindet in ihren Videos zeitgenössische Schicksale mit Erzählsträngen der griechischen Mythologie, während BACHZETSIS in ihren Performances Gestik und Körpersprache, wie sie in Clubkultur und Musikvideos sichtbar wird, isoliert.
Zwischen beiden Positionen entwickelt sich ein Dialog über den Körper und seine Repräsentation in den Medien sowie seine physischen Grenzen und sozialen Einschränkungen. Die künstlerische Praxis beider Künstlerinnen verhält sich widerspenstig zum klassischen Ausstellungswesen, BACHZETSIS entwickelt ihre Arbeiten, meist Performances, als Choreographin und Tänzerin und führt in Theatern wie Ausstellungshäusern auf, HOOPER führt ihre Filme an Filmfestivals vor wie auch in Ausstellungen, für die sie oftmals eigene Präsentationsarchitekturen oder –situationen entwirft.
ALEXANDRA BACHZETSIS agiert als Performerin und Choreographin und trat mit ihren Arbeiten u.a. am Theaterhaus Gessnerallee (Zürich), im Tanzquartier (Wien, 2010) und am Theater Freiburg auf. Ebenso war sie in der Fondation Beyeler (Basel, 2013), der Chisenhale Gallery (London, 2012) und auf der Documenta 13 (Kassel, 2012) vertreten. CLAIRE HOOPER die vor allem dem Medium Film verpflichtet ist, war mit ihren Arbeiten schon auf vielen Festivals wie dem International Film Festival in Rotterdam (2013) oder der Köln Kunstfilm Biennale (2010) vertreten. Ihre Arbeiten wurden in Ausstellungen im ICA (London, 2012), in der Serpentine Gallery (London, 2012), im Lothringer 13 (München, 2011) und dem MUMOK (Wien, 2011) gezeigt, wo sie den Baloise Art Prize verliehen bekam. Die Ausstellung im Bonner Kunstverein stellt ihre erste umfassendere Präsentation in Deutschland dar.
Die Werke von BACHZETSIS erzählen keine Geschichten, sondern zeigen Körper in kontrollierten Bewegungen, die einem klaren Ablauf folgen. Es werden Situationen evoziert – eine Tanzszene im Club, Alltagshandlungen einer Frau zu Hause -, die sich als Reflexionen zeitgenössischer Medienkultur durch Spiegelung und Repetition zu Bewegungsstudien verdichten. Die Künstlerin dekonstruiert diese Handlungsabläufe, indem sie Gestik und Körpersprache als Indizien für kulturelle Codes aus dem Fluss des Bekannten isoliert und auf diese Weise entsprechende Zuschreibungen von Werten sichtbar macht.
Dabei analysiert BACHZETSIS ebenso die Mechanik von TV-Soaps und Hip-Hop-Videoclips wie Formen des klassischen Balletts, des Modern Dance oder der Performancekunst.
Zur Eröffnung wird BACHZETSIS mit ANNE PAJUNEN (*1985 in Helsinki, lebt in Brüssel) die Performance A Piece Danced Alone (2011) aufführen. Dieses Werk für zwei Tänzerinnen basiert auf einer Abfolge von Soli, die von einer zur nächsten weitergegeben werden. BACHZETSIS interessiert im Besonderen das Repetitive und die damit einhergehende Spiegelung und Überlagerung zweier Personen, die Unbehagen auslöst. Im weiteren Verlauf der Ausstellung wird neben der Kulisse aus
Scheinwerfern, Tanzboden und Röhrenmonitor, eine Aufzeichnung der Performance zu sehen sein.
Auch in Rehearsal (ongoing) (2010) überlagern sich die eigentliche Aktion und deren Dokumentation im Video. So isoliert BACHZETSIS in ihren Choreographien nicht allein Bewegungsabläufe, die sich am Körper festmachen lassen, sondern darüber hinaus die Rahmenbedingungen der Betrachtung.
In This Side Up (2007, in Kollaboration mit Julia Born) setzt sich die Künstlerin mit der räumlichen Wahrnehmung von Choreographien, Dokumentation und Notationen auseinander. Das Video, das die Choreographie dokumentiert, wird gekippt und gedreht, wodurch die räumliche Wahrnehmung des Betrachters thematisiert wird. Daneben gibt BACHZETSIS über ein Poster Handlungsanweisungen, die den Betrachter als Handelnden einbinden.
In den Werken von CLAIRE HOOPER trifft die britische Tradition des Dokumentarfilms auf Elemente, die der griechischen Mythologie entstammen. Im Mittelpunkt ihrer epischen Filmarbeiten stehen Figuren in prekären gesellschaftlichen Verhältnissen und ihre Verstrickung in restriktive Systeme, die durch gleichnishafte, mythologische Überhöhung in kollektive gesellschaftliche Bereiche überführt. Kaleidoskopartig changieren in der Narration dokumentarisch aufgenommene Versatzstücke des Alltags mit theatralisch aufgeladenen Passagen, in denen die Performance als Einbruch in die Wirklichkeit erscheint. Popkultur spielt auch bei HOOPER für die Inszenierung ihrer Figuren eine wichtige Rolle. Sie stellt den Körper – Gestik wie Haltung – in surreal anmutenden Tanzperformances dar, die es ihr erlauben, die irrationalen und auch triebhaften Kräfte, die unsere wohlorganisierte Gesellschaft weiterhin mit antreiben, bild- und tongewaltig zu porträtieren. Während BACHZETSIS die physischen Grenzen des Körpers thematisiert, lotet HOOPER die sozialen Einschränkungen der einzelnen Figur aus. Beide Künstlerinnen zeigen den Körper und die Figur als schillernde, stets veränderliche Projektionsfläche.
Der Bezug zur Antike in HOOPERs Arbeiten ist nicht nur thematisch, sondern auch strukturell angelegt. In dem Video Eris (2011) übernimmt eine Rapperin die Aufgabe des Erzählens und offenbart die Tragik der Geschichte durch Gesang vor der eigentlichen Aufführung – ähnlich einem griechischen Theaterchor. Die Bilder zeigen das Schicksal einer jugendlichen Mutter, die um das Sorgerecht ihres Sohnes kämpft, und dabei unterschiedlichen Formen der Gewalt ausgesetzt ist. Sie
bewältigt die Konflikte, indem sie sich immer wieder in Eris, die Göttin der Zwietracht, verwandelt.
In Nyx (2010), benannt nach der Göttin der Nacht, begleiten wir einen jungen Kurden in der Berliner U-Bahn, der nach einer langen Nacht auf dem Heimweg ist. In einem Zustand des Deliriums begegnet er der Figur des Thanatos, Gott des Todes, seinem Zwillingsbruder Hypnos, Gott des Schlafes, wie auch Pasithea, Göttin der Ruhe und Halluzination. In der U-Bahn, die gleichsam zur Unterwelt mutiert, werden zahlreiche kulturelle Konflikte des in den Westen gezogenen Jugendlichen sichtbar.
Für die Ausstellung hat sie Strukturen entworfen, die gleichzeitig als Projektionsfläche und architektonische Ornamentik funktionieren. Auf Sitzstrukturen der Berliner U-Bahn verweisend, schaffen sie eine Verbindung zwischen dem tatsächlichen Ausstellungsraum, dem illusionistischen Raum des Films und dessen dokumentarischer Abbildungsfunktion. Dadurch thematisiert HOOPER wie BACHZETSIS die Frage des Ausstellungs- und Wahrnehmungsdispositivs.
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PM
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