Die künstlerische Praxis der aus Indien stammenden Künstlerin Tejal Shah (*1979) umfasst Video, Fotografie, Performance, Zeichnung, Sound und Installation. Sie thematisiert genderspezifische Fragen und stellt diese in Zusammenhang mit ökologischen Themen, mit Science-Fiktion sowie kultureller Mythologie; aber auch Spiritualität, Liebe und Sexualität spielen eine wiederkehrende Rolle. Shahs Arbeiten sind stets politisch motiviert und von einer feministischen Perspektive geprägt. Dabei steht nicht nur die Frau im Mittelpunkt, sondern vielmehr hinterfragt Shah darin grundsätzlich die (duale) sexuelle Differenzierung der Gesellschaft. Die politisch und gesellschaftskritisch motivierte Arbeit von Tejal Shah zeugt, besonders vor dem Hintergrund ihres Heimatlandes Indien, von Mut, herausragender Qualität und Eigenständigkeit.
Im Kunsthaus Hamburg wird Shah ihre 5-Kanal-Videoinstallation Between the Waves raumgreifend präsentieren. In der Installation, die auf der dOCUMENTA (13) ihre Premiere hatte, beschäftigt sich die Künstlerin mit Phänomenen kultureller und biologischer Vielfalt. Das Abweichende, insbesondere in sexueller Hinsicht, betrachtet sie als integralen Bestandteil der Natur. Extravaganz und Vielfalt sind für sie „Quelle und Essenz allen Lebens, denen alle anderen Muster folgen“. In Between the Waves entwickelt Tejal Shah ihre eigene Vision einer Evolutionsgeschichte, die mit den üblichen Vorstellungen von Körperlichkeit und Sexualität bricht. Grenzen zwischen den Geschlechtern, auch die zwischen Mensch, Natur und Tier, werden aufgehoben. Frauen mit phallusartigen Hörnern verkörpern im Film mehrgeschlechtliche Mischwesen, die uns als menschliche Einhörner ein lustbetontes Zusammenleben in stimmungsvoll inszenierten Landschaften vorführen. Viele der Szenen des zum Großteil in Indien gedrehten Films spielen in Zonen des Übergangs zwischen Großstadt und Natur. Als filmischer Loop auf fünf unterschiedlichen Screens präsentiert die Künstlerin ein fantastisches Szenario, das in fließenden Übergängen gleichwohl Utopie als auch Dystopie ist. Neben der Videoinstallation zeigt das Kunsthaus Hamburg neue Zeichnungen und Collagen, die thematisch an den Film anknüpfen.
In Zusammenarbeit mit der Hochschule für bildende Künste Hamburg HFBK (Prof. Michaela Melián) wird Tejal Shah im Rahmen von zwei Filmscreenings den spezifischen kulturellen Kontext erläutern, in dem ihre Arbeiten entstehen. Als besonderen Gast hat sie dazu die indische Regisseurin Shabnam Virmani eingeladen, deren Filme sie ebenfalls präsentieren und in einem Künstlergespräch erläutern wird. In den Arbeiten der beiden Künstlerinnen lassen sich viele thematische und gedankliche Anknüpfungspunkte finden. Der Dialog wird darüber hinaus einen besonderen Einblick in ihre Filme erlauben, die jeweils auf ihre Weise einen ebenso kritischen wie maßgeblichen Bezug zu den Kulturen Indiens haben.
Einblick in ihre aktuelle Forschung wird Shah abgesehen davon in Form einer Lecture-Performance am 25. Oktober an der HFBK geben. Seit über zwei Jahren beschäftigt sie sich intensiv mit einem Ansatzpunkt des tibetanischen Buddhismus, der vor allem einer non-dualen Denkweise folgt und in der Nalanda-Tradition fußt. So knüpft sie aus traditioneller, religiös-spiritueller und philosophischer Perspektive an aktuelle Gender-Theorien an, um sie in ihrer Kunst zu verarbeiten. Für ihre Forschung hat sie unter anderem acht Monate in Bhutan bei einem der bekanntesten Lamas verbracht und erlernt aktuell in Nepal die Sprache für das Studium von Originaltexten. Von dieser intensiven Form der künstlerischen „Forschung“ wird sie in Hamburg zum ersten Mal öffentlich berichten.
Tejal Shah (*1979, Bhilai, Indien) hat am Royal Melbourne Institute of Technology, Australien sowie am Art Institute of Chicago und am Bart College in New York, USA studiert. Sie hat an zahlreichen internationalen Ausstellungen teilgenommen und ihre Filme auf Festivals präsentiert; darunter das Museum of Modern Art, Oslo (2016/17), Whitechapel Gallery, London (2014), dOCUMENTA (13) (2012), Centre Pompidou (2011), Tate Modern (2006). Sie war beteiligt am Projekt „Indian Highway“ (2009) an der Serpentine Gallery, London, Ullens Center for Contemporary Art, Beijing, MAXXI, Rom, Astrup Fearnley Museum of Modern Art, Oslo sowie am Musée d’Art Contemporain de Lyon.
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