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Insides Out. Daiga Grantina, Yein Lee und Tenant of Culture

19. 08. - 1. 10. 2023 | Kunstverein Göttingen

Wir denken, fühlen und verstehen mit unserem ganzen Wesen, nicht nur mit unserem Kopf. Trotz der im Westen immer noch vorherrschenden Trennung von Geist und Körper machen die künstlerischen Praktiken in Insides Out Gefühl und Erkenntnis zu einer Einheit mit dem Körper. Die Ausstellung demonstriert eine sich wandelnde westliche Anerkennung des Körpers als mehr als nur ein Rezeptor für Gefühle oder ein Empfänger von Übertragungen des Geistes. Physische Intelligenz wird durch eine materiell verkörperte Erfahrung erfasst: Emotion und Wissen werden nicht nur durch eine physische Form reflektiert, sondern existieren als solche. Daiga Grantina, Yein Lee und Tenant of Culture überbrücken die nun kleiner werdende Kluft zwischen Geist und Körper durch traditionell der Kunst verwandte Materialien und handwerkliche Techniken. Die Materialität der von ihnen gewählten Medien spricht inhärent greifbare Gefühle an, und die physischen Prozesse, die sie durchführen, sind eine unmittelbare materielle Geisteserfahrung allein durch deren Praxis.

Die Vorstellung von Selbst und Gesellschaft unterliegt soziokulturellem und historischem Wandel. Daiga Grantina, Yein Lee und Tenant of Culture erkennen an, dass unsere Erfahrung der Welt mit all ihren Implikationen ein anhaltender, komplexer Austausch von Körper und Geist mit der Welt ist. Ihre künstlerischen Praktiken helfen ihnen dabei, diese Erfahrung zu bewältigen. Sie entwickeln Konzepte, die unsere physischen Formen und Wahrnehmungsweisen vereinen, indem sie mit ihren eigenen Körpern materielle Dinge herstellen und dabei kontextbezogene Praktiken und Techniken anwenden. Die Hülle des Körpers ist porös und durchlässig, sie dehnt sich nach außen in die Welt aus und löst sich in ihr in untrennbaren, abstrakten, assoziativen und poetischen Konstellationen von Innen und Außen auf.

Der Ausstellungstitel Insides Out beschreibt nicht nur die Symbiose des Intellektuellen mit dem Körperlichen - den materiellen Geist - sondern verweist auch auf die Übertragung dieses physischen Erfahrungskomplexes über den menschlichen Körper hinaus. Der Körper wird grenzenlos und so vervielfältigt und verstreut sich in ihm unsere Fähigkeit, die Welt wahrzunehmen.

Daiga Grantinas Materialkonstellationen wölben und dehnen sich aus. Ihre hauchdünnen Oberflächen werden transparent und durchlässig und drohen unter dem Druck der körperlichen Ausdehnung aufzuspringen. Grantina arbeitet sowohl mit natürlichen als auch mit synthetischen Materialien und testet und erweitert die Kapazitäten ihrer Materialeigenschaften in direkter Beziehung zueinander. Sie hebt die Materialien aus ihrer konventionellen Verwendung heraus und lädt zu offenen Assoziationen jenseits von Form und Repräsentation ein. In diesem Raum schafft Grantina eine nuancierte Intimität zwischen den Betrachtenden und ihren Werken. Die haptischen und zerebralen Qualitäten der Materialien werden physisch und konzeptionell in rhizomatische Schichten gelegt. Ihr Werk oszilliert dabei zwischen dem Mikro- und dem Makrokosmischen, so wie es der Körpergeist in der Welt ständig tut. Ihre Körpergeist-Paarungen sind ein Spiel mit Volumen und Form, das eine spontane und elastische Vorstellung von ihrer Beziehung zueinander formt, wobei die Grenzen des Körpers faszinierend obskur und durchlässig sind. In poetischen Paarungen verschlingen sich das Innere und Äußere mit dem Materiellen und Immateriellen.

Yein Lee schält die Haut ihrer anthropomorphen Skulpturen ab, um einen Körper zu enthüllen, der sowohl mit der natürlichen als auch mit der konstruierten Welt verschmolzen ist. Die äußeren Umrisse des Körpers erscheinen jedoch nur klischeehaft als beliebiger Rahmen, um zu zeigen, wie der menschliche Kosmos von Technologie, Organismen und Konzepten durchdrungen und definiert wird. Es gibt keine Trennung mehr zwischen dem Körper und der natürlichen und gebauten Welt, da der Körper in die Welt und die Welt in den Körper abstrahiert wird. Lees Skulpturen beginnen mit einer emotionalen Erfahrung der Künstlerin, die eine physische Form benötigt, um sie zu entfalten und zu verarbeiten. Im bildhauerischen Prozess der Künstlerin, die mit ihrem eigenen Körper arbeitet, bekommen Gefühle ein physisches Ventil. In malerischer Geste kommen gefundene Objekte aus Stahl, Epoxid- und Acrylharz, Latex, elektrische Kabel und gebrauchte Autoteile, gegossene Körperteile und natürliche Materialien wie Blätter und Zweige symbiotisch zusammen, um einen Körper zu eröffnen, dessen Erfahrung der Welt nicht von seiner Existenz in dieser Welt getrennt ist.

Tenant of Cultures Kleidungsstücke aus Haut werden aufgetrennt und durch die Zerlegung in standardisierte, zweidimensionale Schnittmuster zu Abstraktionen des Körpers. Ausgehend von ihrem Hintergrund in der Modebranche wird in den Arbeiten der Künstlerin die kapitalistisch-kommerzielle Erfahrung sichtbar, dass der Körper trotz seiner Vermarktung als solches letztlich vom Individuum entkoppelt ist. Der ignorant uniforme politische Körper, gekleidet in massenproduzierter Kleidung, wird flach gelegt und zusammengenäht, um Vorhänge und Paravents zu bilden. Diese Vorhänge haben das Potenzial, nach Belieben wieder Form anzunehmen. Die Vorhänge von Tenant of Culture sind wasserdicht, trotzdem teilweise durchsichtig und können mit Hilfe von Tunnelzügen zusammengezogen werden, um die scheinbar flache Form völlig zu verändern. Durch Akte der physischen Trennung, durch das Aufreißen von Nähten, legt Tenant of Culture offen, wie gewalttätig und entmenschlichend die westliche Trennung von Körper und Geist sein kann. Zwar kommt auch Tenant of Cultures "Restitching" nicht ganz um den Körper herum, da Kleidung nun mal immer dem Körper zugrunde liegt, und trotzdem ist der Körper hier nur durch seine Abwesenheit anwesend. Ihre handwerklichen Methoden zeugen von der Vorstellung eines formbaren, multiplen Körpergeists der keine Konturen hat.

Die Ausstellung wurde von Sarah Crowe und Alke Heykes kuratiert.


Kunstverein Göttingen
Altes Rathaus
Markt 9
37073 Göttingen

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