Im Jahr 2017 hat der Kunsthistoriker und Autor Wolfgang Ullrich von einem Konflikt und neuen Fronten innerhalb des Kunstbetriebs, einem bevorstehenden Schisma und einer offenen Feindschaft zwischen Künstlern und Biennale-Kuratoren, gesprochen. (Essay: Zwischen Deko und Diskurs, 17.07.2017 auf Perlentaucher, In offener Feindschaft Von Wolfgang Ullrich 22.12.2017 )
Wir möchten auf der Grundlage einer breiteren Datenlage Informationen zur aktuellen Situation beisteuern.
Zuerst fragen wir nach der Messepräsenz von Biennaleteilnehmern. In einer weiteren Untersuchung wird gezeigt, welche renommierten Künstler nicht auf Biennalen zu finden sind. Im Anschluss daran wird anhand der Frieze 2013 überprüft, welche Künstler sich in den Portfolios der Galerien befinden und ob es globale Strukturen unter den Galeristen gibt, die bestimmte Künstler präferieren. Mit diesen drei Ansätzen versuchen wir, uns dem Phänomen Kunstmarkt zu nähern.
- Schon im Februar 2016 untersuchten wir, in welchem Verhältnis die Anzahl an Biennaleteilnahmen und eine Messepräsenz stehen. Wir haben herausgefunden, dass von den 30 am häufigsten auf Biennalen vertretenen Künstlern nahezu 90 % auf den größten Kunstmessen gehandelt werden, fast alle auf der Art Basel.
Insgesamt haben wir 7.715 Künstler mit 15.318 Einträgen von Messeteilnahmen in unserer Datenbank.
2.726 Künstler tauchen in der Datenbank auf, die nur über einen einzigen Eintrag, den einer Messebeteiligung, verfügen. Das heißt, diese Künstler werden durch die Galerien direkt dem Kunstmarkt zugeführt. (Bei Biennalen waren es Ende 2017 7.564 Künstler, die neu in die Datenbank aufgenommen wurden.)
Unsere Künstlerdatenbank enthält aktuell über 67.000 Einträge zu über 32.000 Künstlern, die aus über 580 Ereignissen erhoben wurden.
- Des Weiteren wurde untersucht, welche renommierten Künstler nicht so häufig auf Biennalen eingeladen werden.
Keine Biennaleteilnahme verzeichnen wir zu folgenden Künstlern in unserer Datenbank (unter den ersten 500 Positionen):
Thomas Ruff, Günther Förg, Donald Judd, Georg Herold, Imi Knoebel, Robert Mapplethorpe, Richard Artschwager, Cy Twombly, Anselm Kiefer, Antoni Tapies, Claes Oldenburg, Stephan Balkenhol, On Kawara, Ulrich Rückriem, Arnulf Rainer, Jürgen Klauke, Jim Dine, Bridget Riley, Sylvie Fleury, Jasper Johns, Haim Steinbach, Marcel Duchamp, Charlotte Posenenske, Victor Vasarely, Francesco Clemente, Helmut Federle, Lee Ufan, Johannes Wohnseifer, Alex Katz, Philip Guston, Gert & Uwe Tobias, Keith Haring, Francis Bacon, Daniel Spoerri, Angela Bulloch, Jörg Immendorff, Roy Lichtenstein, Anselm Reyle, Bernard Frize, Sarah Morris, David Salle, Axel Hütte, Katharina Sieverding, Atelier Van Lieshout, Elger Esser, Matias Faldbakken, Pierre Soulages, Michael Krebber, Katja Strunz, Martin Eder, Anthony Caro, Julião Sarmento, Ryan McGinley, Tal R.
Ein Aspekt, der noch differenzierterer Recherchen bedarf, denn neben dem Alter sind auch noch das Medium und der Stand des künstlerischen Materials zu bedenken. (Inzwischen haben wir auch die Künstler mit nur einer bzw. zwei Biennaleteilnahmen identifiziert.)
Insgesamt zählen wir über 210 Künstler unter den 500 renomiertesten Künstlern die weniger als drei Biennaleteilnahmen vorweisen können.
(Ein neuer Artikel Plötzlich diese Übersicht.)
- In einer weiteren Untersuchung hatten wir im Oktober 2013 Daten von der Frieze gesammelt und gefragt, welche Künstler befanden sich im Portfolio von wie vielen Galerien? Künstler bei Galerien
Ein Auszug:
Liam Gillick - 7 Galerien, Annette Kelm - 7, Dan Graham - 6, Silke Otto-Knapp - 6, Thomas Ruff - 6, Ugo Rondinone - 5, Roe Ethridge - 5, Cheyney Thompson - 5, Yoshitomo Nara - 5, Urs Fischer - 5, Martin Boyce - 5, Anri Sala - 5, Jim Lambie - 5, Thomas Schütte - 5, Franz Ackermann - 5, Georg Baselitz - 5
Festhalten lässt sich nach diesen Auswertungen:
Es gibt Künstler, die sowohl vom Markt, den Galerien als auch von den Kuratoren geschätzt werden, wie z.B. Anri Sala.
Anri Sala führt anhand seines biografischen Kontextes die Vielschichtigkeit der Konstruktion von Geschichte vor.
Wenn andere Künstler nicht zu den Biennalen eingeladen werden, Ullrich nennt z.B. Neo Rauch und Jonathan Meese, stellt sich die Frage, ob diese denn überhaupt die geistige Situation der Zeit erfassen und verhandeln bzw. inwieweit es nicht von anderen Marktteilnehmern steuernde Beeinflussungen gibt, z. B. bei Thomas Schütte oder Thomas Ruff.
Und, ob nicht die Institution Biennale entstanden ist bzw. notwendig wurde als ein Korrektiv gegen zu viel Mainstream und nationalen Populismus in Medien.
Mehr Daten führen zu mehr Namen und anderen Fragen und weniger Emotionalität.
Die Biennalen schaffen Entwicklung und Bewegung, inhaltlich und strukturell, mit ihrer Hilfe lässt sich ein vielstimmiges Ganzes abbilden, sonst würden wir wahrscheinlich immer noch denken Richter und Baselitz seien die bedeutendsten Künstler der Zeit.
(Übrigens, Thomas Schütte bei Galeristen beliebt, liegt in unserer Künstlerliste auf Platz 18, wurde allerdings als einziger Künstler 4 mal bei Skulptur Projekte Münster präsentiert, unter dem Kurator Kasper König.)
Skulptur Projekte Münster ist natürlich keine Biennale sondern eine Gruppenausstellung.
Anri Sala - Künstlerliste-Platz 5, Liebling der Galerien, mit 15 Biennalen unter den drei Erstplatzierten
Liam Gillick - Künstlerliste-Platz 38, Liebling der Galerien, wird von Biennale Kuratoren beachtet
Annette Kelm - Künstlerliste-Platz 80, Liebling der Galerien, wird von Biennale Kuratoren gescheut
Thomas Ruff - Künstlerliste-Platz 2, Liebling der Galerien, wird von Biennale Kuratoren gescheut
Georg Baselitz - Künstlerliste-Platz 9, Liebling der Galerien, wird von Biennale Kuratoren gescheut.
Thomas Schütte - Künstlerliste-Platz 18, Liebling der Galerien, wird von Biennale Kuratoren gescheut.
Künstlerliste 2017
ct
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