Walid Raad, geboren 1967 in Chbanieh, Libanon, ist einer der führenden Künstler seiner Generation. Als Teilnehmer der Documenta 11 und 13 sowie zahlreicher weiterer Ausstellungen, u.a. in Zürich, Paris, London, Neapel und Berlin, ist er in den letzten Jahren auch in Europa einem breiteren Publikum bekannt geworden; zuletzt konnte Raad 2016 in die Reihe renommierter Künstler aufgenommen werden, die in der Synagoge Stommeln ausstellten. Nach zahlreichen internationalen Auszeichnungen wurde er nun von der Jury einstimmig mit dem Aachener Kunstpreis 2018 ausgezeichnet. Walid Raad lebt und arbeitet derzeit in New York.
In seiner vielschichtigen und medial breit angelegten Arbeit aus Fotografien, Videos, Installationen, Skulpturen und Performances setzt sich Walid Raad mit verschiedenen Themen auseinander: Geschichte und Historizität, individuelle und kollektive Erinnerung, die Auswirkungen von Gewalt auf Geist, Körper, Tradition und Kunst, Faktizität und ihre Vermittlung, Fotografie und die Frage nach dem Dokument.
Walid Raads Œuvre besteht im Wesentlichen aus drei großen Werkkomplexen: „The Atlas Group“ (1989-2004), „Scratching on things I could disavow“ (2007 – heute) und „Sweet Talk: Kommissionen“ (1987– heute).
„The Atlas Group“ besteht aus einem künstlerischen Archiv von Notizbüchern, Filmen, Videos und Fotografien, die sich auf die Ereignisse rund um die Kriege in seiner Heimat Libanon konzentrieren, die Raad 1983 verließ. Raad hat eine Reihe von Dokumenten erstellt, welche die Möglichkeiten, aber auch die Grenzen des Schreibens, Dokumentierens und Erinnerns an die Geschichte von Ereignissen extremer Gewalt ausloten. Sein Archiv umfasst sowohl imaginäre als auch historische Personen, Situationen und Artefakte.
„Scratching on things I could disavow“ besteht aus einer Reihe von Skulpturen, Fotografien, Installationen, Videos und Performances, die der Entstehung neuer Geschichten, Ökonomien, Institutionen und Sammlungen rund um die „arabische Kunst“ gewidmet sind. Raad geht von der Entstehung großer neuer Museen in Abu Dhabi, Doha, Beirut und anderswo im Nahen Osten aus, um zu untersuchen, wie Kunstwerke materiell, aber auch immateriell von den Kriegen betroffen sind, die die Region in den letzten Jahrzehnten heimgesucht haben.
„Sweet Talk: Aufträge“, war Raads längstes Kunstprojekt. Es besteht aus Tausenden von Fotografien, die Raad seit 1987 in Beirut produziert hat. Nach weiteren ausführlichen Dokumentarfilmen wie Walker Evans in den USA, Bernd und Hilla Bacher in Deutschland oder Auguste Atget in Paris folgen Raads Arbeiten Beiruts sich ständig verändernde Landschaft während der heißen und kalten Kriege.
Die künstlerischen Wurzeln von Walid Raads Kunstprojekten sind mit westlicher Konzeptkunst und postkonzeptionellen Praktiken wie denen von Hannah Höch, Hans Haacke, Sherrie Levine, Joseph Beuys und anderen verbunden. Seine Performance-Arbeiten spielen eine wichtige Rolle bei der Entstehung des Genres der Lecture-Performance.
Die Begründung der Jury
„Mit Walid Raad zeichnet die Jury einen Künstler aus, dessen Praxis für eine deutliche Erweiterung des Kanons der Kunst über Europa und die USA hinaus steht. Das mehrjährige Projekt des Künstlers mit dem Titel "The Atlas Group" lenkte den Blick nicht nur auf die verworrene Geschichte des Nahen Ostens, sondern stellte zudem wichtige Fragen über das Verhältnis von Fakten und Fiktion in historischen Narrativen. Die Arbeiten Walid Raads überzeugen gleichermaßen durch ästhetische Präzision und durch ihre hohe Dichte an konzeptionellen Verweisen, weshalb die Jury mit ihm eine ausgezeichneten Persönlichkeit für den diesjährigen Aachener Kunstpreis gefunden hat.“
Aachener Kunstpreis
Der mit 10.000 Euro dotierte Aachener Kunstpreis wird alle zwei Jahre an einen Künstler oder eine Künstlerin verliehen, dessen bzw. deren Werk der internationalen Kunstszene nachhaltige Impulse gibt. Der Preis beinhaltet eine Einzelausstellung im Ludwig Forum für Internationale Kunst, die 2019 von Walid Raad realisiert wird.
Jury des Aachener Kunstpreises 2018: Dr. Andreas Beitin, Direktor Ludwig Forum Aachen; Ernst Höhler, Verein der Freunde des Ludwig Forums e.V.; Johan Holten, Direktor Staatliche Kunsthalle Baden-Baden; Christiane Mennicke-Schwarz, Direktorin Kunsthaus Dresden; Susanne Titz, Direktorin Städtisches Museum Abteiberg Mönchengladbach.
Der Aachener Kunstpreis ist eine Stiftung der Freunde des Ludwig Forums für Internationale Kunst e.V. und wird durch eine Kooperation mit der Stadt Aachen und der Wirtschaft ermöglicht.
Bisherige Gewinner des Aachener Kunstpreises:
Franz Erhard Walther (2016), Paulina Olowska (2014), Phyllida Barlow (2012), Pawel Althamer (2010), Aernout Mik (2008), Roman Signer (2006), Andreas Slominski (2004), Tacita Dean (2002), Michael Asher (2000), Richard Tuttle (1998), Katharina Fritsch (1996), Christian Boltanski (1994), On Kawara (1992), Ilya Kabakov (1990), Richard Long (1988), A.R. Penck (1985) sowie Luciano Fabro (1983).
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