Die Künstlergruppe Frankfurter Hauptschule eröffnet am 22. Januar ihre erste Einzelausstellung mit dem Titel „kANzELKuLTuR“ im Neuen Aachener Kunstverein. Das Kollektiv untersucht hier den Zusammenhang von Rechtsruck, Esoterik und einem neuen Kunsttrend in Deutschland. Die Prognose: Innerhalb der nächsten zehn Jahre wird wieder Faschismus herrschen. Die Künstler halten die Wette mit dem Angebot, wer ein Kunstwerk kaufe, bekomme in zehn Jahren sein Geld zurück, falls ihre Vorhersage nicht eintreffe.
Um die aktuelle Stimmung in Deutschland zu beschreiben, wird immer häufiger auf die Weimarer Republik verwiesen. Auf der einen Seite erleben wir einen Schulterschluss zwischen Impfgegnern, Esoterikern und organisierten Neonazis; steigende Wahlergebnisse und Steuergelder für die AfD, verbunden mit einer oft „neutralen“ Berichterstattung der Medien. Auf der anderen Seite begrüßen immer mehr Menschen eine erhöhte Sensibilität gegenüber Diskriminierungen und setzen sich für Diversität ein. Doch auch die Zivilgesellschaft ist gespalten. Vielen gehen „politisch korrekte“ Sprachreglungen oder Einschränkungen der Kunstfreiheit aus Rücksicht auf Gefühle des Publikums zu weit, sie wenden sich gegen „Cancel Culture“.
International erinnert die Lage an die Jahre vor dem Ersten Weltkrieg. Großmächte wie die USA, Russland oder Deutschland liefern sich heiße und kalte Stellvertreterkriege, unterstützen dieses oder jenes Land, diese oder jene paramilitärische Bewegung, um Macht und Einfluss zu gewinnen. Die schwelende internationale Konfrontation und das Aufleben einer Nazipartei im eigenen Land lassen sich als deutliche Symptome einer gallopierenden Faschisierung lesen.
In diesem Zuge fragt die Ausstellung auch danach, warum gerade jetzt junge Künstler knietief in mystischen Bilderwelten waten. Auf den Rundgängen der Kunsthochschulen, in Ausstellungen von Nachwuchskünstlern und auf Instagram: Motive deutscher Romantik und nordischer Mythologie. Unübersehbar häufen sich mittelalterliche Schnörkel, Drachen, Ritter, Schwerter, heidnische Symboliken; als Materialien finden sich Äste, Tuch, Wachs, Heilsteine, Erde, Rauch usw.
Eine Sprecherin der Frankfurter Hauptschule:
„Wenn sich der Siegeszug von Esoterikern, Nazis und Eso-Nazis weiter fortsetzt, werden die Diskussionen um Cancel Culture bald egal, weil dann eh die Meinungsfreiheit zusammen mit der Demokratie weggecancelt wird. Die AfD lässt sich langsam aber sicher zur Machtergreifung hofieren. Die Sache scheint ausgemacht: Alle haben Lust auf Selbstmordparty. Wir wetten auf den Faschismus.
In der Kunstszene sehen wir den rasant anwachsenden Trend einer neuen Romantik. In ihrer träumerischen Weltflucht blitzen antiaufklärerische Affekte auf. Hinter dem Hang zum Okkulten lauert die Faszination für die Ästhetik des Faschismus, für Kitsch und Tod. Die Romantik hat den Nazis schon einmal den Weg geebnet. Diese Schwurbelkunst muss gecancelt werden!“
Die Frankfurter Hauptschule ist ein gut zwanzigköpfiges Kunstkollektiv aus Frankfurt am Main. 2018 empörte sich der Frankfurter Polizeipräsident über eine Intervention, bei der die Gruppe einen Streifenwagen im öffentlichen Raum abbrannte. 2019 sorgte sie für öffentliche Diskussionen, als sie in einer Doppelaktion das Goethe-Haus in Weimar mit Klopapier bewarf und in Köln eine Ausstellung mit Nacktbildern von Kindern eröffnete. 2020 löste der fingierte Diebstahl einer Beuys-Skulptur und deren Überführung nach Tansania ein internationales Echo aus. Seit dem Wintersemester 2021/22 lehrt die Frankfurter Hauptschule an der Universität der Künste Berlin.
Ausstellungstext von Diedrich Diederichsen: hier
Neuer Aachener Kunstverein
Passstraße 29
52070 Aachen
www.neueraachenerkunstverein.de
Presse
Kataloge/Medien zum Thema:
Frankfurter Hauptschule
Freundeskreis Willy-Brandt-Haus e.V.
Schloss Biesdorf
neurotitan
Galerie Alte Schule im Kulturzentrum Adlershof
Galerie Johannisthal