Mit der lange vorbereiteten Retrospektive des slowakischen Künstlers Stano Filko wirft die HALLE FÜR KUNST Steiermark einen frischen Blick auf dieses nachhaltig wirksame, utopische Werk. Mit großzügigen Leihgaben der Slovak National Gallery und der Linea Collection, Bratislava beleuchtet die Ausstellung die Bedeutung dieser herausragenden künstlerischen Position und deren progressiven Gesellschaftsentwurf für die heutigen – weniger visionären – Zeiten.
Filko war einer der wichtigsten Vertreter der mitteleuropäischen Neo-Avantgarden, dessen Werk sich über Jahrzehnte entwickelt und erstaunlich aktuell gehalten hat. Nach großen Erfolgen in den 1960er-Jahren wurde er infolge der Niederschlagung des Prager Frühlings zur Persona non grata, was nach schwierigen Jahren zu einer abenteuerlichen Flucht – mittels eines Å koda 120L, der weiß bemalt im Zentrum seiner Teilnahme an der Documenta 7 stand – und schließlich zu seiner Emigration nach New York führte. Nach dem Fall des Eisernen Vorhangs kehrte Filko nach Bratislava zurück und baute das einem ​„Gesamtkunstwerk“ ähnliche Atelierhaus Snežienková aus, dessen Räume und Kunstwerke einer nach Farben und Dimensionen geordneten Struktur folgten, dem System SF.
Diese bei aller Stringenz offene Konzeption hat es Filko gestattet nicht nur sein weitläufiges, ursächlich konzeptionelles Werk zu strukturieren und zu hinterfragen, sondern auch Begriffe wie das Transzendentale neu zu denken, im Sinne eines übergreifenden Impulses abseits einer essentialistischen Lesart, was sich auch in medialer Vielfalt und Offenheit des Kunstbegriffes zeigte.
Sein komplexes Œuvre verweist auf die Strömungen Fluxus, Nouveau Realisme, Dada, Pop Art und strahlt in seiner eigenständigen, multiperspektivischen Entwicklung bis heute aus. Anfang der 1960er-Jahre begann Filko mit der Konzeption von Installationen, pneumatischen Skulpturen und utopischen Architekturen, die sein erstarkendes Interesse an Kosmologie und Metaphysik widerspiegeln, was sich auch in Happenings und Aktionen im öffentlichen Raum niederschlug. Daraufhin stellte Filko, der sich durchgängig von Anti-Kunst, Nihilismus und Bildersturm fasziniert zeigte, mehrere interaktive Environments her, die auf seiner Vorstellung von einem offenen Medienbegriff und Interdisziplinarität basierten.
Bis zuletzt begleitete Filko seine Arbeiten in Texten, die er in seiner Praxis überprüfte und fortlaufend überarbeitete. Diese bei aller Kreativität strukturierte Vorgangsweise erleichterte es Filko, seine Projekte parallel in ihrer Produktion und Reflexion zu entwickeln, auch dient es dem Verständnis seines ursächlich konzeptionellen Ansatzes. Insoferne folgte Filko einem ganzheitlichen Ansatz, der Kunst und Leben in eines setzt, um in einem darin entgrenzten Werkbegriff an einer alternativen Fassung der Realität zu arbeiten.
In der Ausstellung wird sein Schaffen auszugsweise aus sämtlichen Perioden abgebildet, um den Blick von der Systematik vordringlich hin zum einzelnen Werk und dessen Verbindungen zu weiteren Arbeiten zu lenken. Neben thematisch und periodisch orientierten Räumen soll vor allem in der großen Ausstellungshalle der Versuch unternommen werden, Werke aus unterschiedlichen Phasen in loser, verdichteter Hängung zu zeigen, um den Arbeiten in freier Assoziation ihre Eigenständigkeit und Dynamik zuzugestehen. Auch die Gegenüberstellung in bislang unterschiedlich bewertete und untersuchte Perioden – in eine frühe, kunsthistorisch anerkannte, in eine neo-expressive ​„amerikanische“ und eine selbstreflexive späte Phase – soll im Sinne eines Ãœberblicks und in Anerkennung der gesamten künstlerischen Position überwunden werden.
Im Außenraum sind Installationen geplant, die implizit mit der Begeisterung des Künstlers für die Raumfahrt und der Erschließung des Weltraums in Verbindung stehen. Auf dem Flachdach der Institution sind die raumgreifenden Skulpturen The Pyramid (1995) und eine Rakete (DSUQ 4.D. Rocket, 2000) zu sehen, jeweils zentrale künstlerische Elemente in der Verbindung von Kosmos und Welt. Zu Eröffnung und Finissage werden großformatige Ballon-Arbeiten (Breathing – The Celebration of Air, 1970; 12 Colors of Reality (Balloons), 1978 – 2011) im umliegenden Grazer Stadtpark präsentiert.
Angesichts des über Jahrzehnte aufgebauten, bedeutungsvollen Gesamtwerkes und der charismatischen Persönlichkeit von Stano Filko liegen Vergleiche mit Meta-Künstlern wie Joseph Beuys, Dieter Roth oder Paul McCarthy nahe, und doch führt dies hier auf eine falsche Fährte, soll doch die Stilisierung von Filko zu einer mythischen Künstlerfigur vermieden werden, die durch exzessive Produktion und theoretische Einbettung an einem hermetischen Zusammenspiel aus Gesamtkunstwerk und Systematik zu arbeiten schien. Vielmehr lag Filko viel daran, Schranken zu überwinden und ins Gespräch zu kommen. Seine Arbeiten zeichnen sich durch ein ausgeprägtes dialogisches Element aus und verstehen sich oftmals als ein Angebot, die Betrachter_​in mit ins Bild zu nehmen. Nicht zuletzt durch seine Neugier, Experimentierfreude und Selbstkritik hat es Filko vollbracht, dass seine Arbeiten gegenwärtig bleiben, was auch an seinen zukunftsorientierten Themensetzungen um Kosmos, Körper, Geist in Reaktion auf die – erlebte und projizierte – Wirklichkeit liegt.
Filkos Arbeit besticht gerade in den einzelnen Kunstwerken, die oftmals jegliche Systematik zurückweisen. Entgegen einer klassischen Retrospektive versucht die Ausstellung das Œuvre nicht zu musealisieren, sondern es in einem ersten Versuch einer Zusammenschau hin zu einzelnen Werken zu aktivieren, um die Aktualität und das visionäre Element von Filko zu betonen.
Unter Mitwirkung von Lucia Gregorová Stach, Patricia Grzonka, Christian Höller, Mira Keratová, Hans Ulrich Obrist, Boris Ondreička, Jan Verwoert/​Søren Grammel u.a. wird das Projekt von einem Rahmen- und Vermittlungsprogramm sowie einer Publikation begleitet.
HALLE FÃœR KUNST Steiermark,
Burgring 2, 8010 Graz,
Österreich
www.halle-fuer-kunst.at
Presse
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