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Ecstatic Media. Medienkunst neu betrachtet

bis 25.02.2024 | Museum der Moderne Salzburg

Die Bildwelten neuer Medien und Technologien können intensive Erfahrungen auslösen. Sie versetzen uns in außergewöhnliche emotionale Zustände. Der für die Ausstellung Ecstatic Media geprägte Begriff der „ekstatischen Medialität“ verweist auf diese Wirkkraft des Medialen. Beispiele dafür sind weit verbreitete Konsumprodukte wie Videospiele oder Beauty-Filter, die deshalb so wirkungsvoll sind, weil sie tiefe Sehnsüchte in uns wecken.

Das Konzept der „ekstatischen Medialität“ leitet sich aus dem Blick auf das emotionale und psychische Potenzial dieser Produkte ab. Aus dieser aktuellen Perspektive wirft die Ausstellung ein neues Licht auf die Medienkunst der letzten sechzig Jahre. Sie zeigt, dass Künstler:innen sich schon früh mit den technologischen, ästhetischen und psychischen Wirkungen von Medien auf die Betrachter:innen und Nutzer:innen befasst haben. Aus unterschiedlichen Blickwinkeln – kritisch, analytisch oder auch affirmativ – untersuchen sie die Effekte bestimmter medialer Eigenschaften, indem sie diese gezielt verstärken und damit für uns greifbarer machen.

Die Ausstellung am Museum der Moderne Salzburg erzählt anhand eindrucksvoller Beispiele – vom Avantgardefilm über Videokunst bis zu Computeranimation und Data Engineering – eine alternative Geschichte der Medienkunst. Im Mittelpunkt steht die Sammlung Generali Foundation – Dauerleihgabe am Museum der Moderne Salzburg, die mit über fünfhundert Werken internationaler Künstler:innen einen der bedeutendsten Medienkunstbestände Österreichs bewahrt und erforscht.
Die Ausstellung ist in vier Themenfelder gegliedert. Sie umfasst Werke von Uli Aigner, Theresa Hak Kyung Cha, Danica Dakić, Carola Dertnig, VALIE EXPORT, Harun Farocki, Morgan Fisher, Ulrich Formann, Simone Forti, Dan Graham, Richard Kriesche, Friedl vom Gröller, Helmut Mark, Willem Oorebeek, Christa Sommerer & Laurent Mignonneau, Peter Weibel und Heimo Zobernig

Themenfelder der Ausstellung
Medienwirklichkeiten
Die Ausstellung spannt einen Bogen von den Medienrealitäten der späten 1960er-Jahre bis in die Gegenwart. Den Auftakt bilden wichtige Werke der frühen Videokunst, des Experimentalfilms und des Expanded Cinema. Ein zentrales Werk ist Peter Weibels interaktive Installation Beobachtung der Beobachtung: Unbestimmtheit von 1973. Sie stellt den Menschen und seine Selbstwahrnehmung im medialen Raum in den Mittelpunkt und wirft die Frage auf, wie neue Bildtechnologien die Identitätsbildung beeinflussen.

Der Kontext der 1960er- und 1970er-Jahre zeigt spannende Parallelen zur Gegenwart. Heute wie damals erleben wir einschneidende gesellschaftliche und technische Umbrüche. So wie unsere Welt durch Innovationen in der Informations- und Datenverarbeitung, durch soziale Netzwerke und künstliche Intelligenz umgeformt wird, so wird die Gesellschaft vor einem halben Jahrhundert durch die damalige Medienrevolution verändert. Das Massenmedium Fernsehen erlebt weltweit ein rasantes Wachstum und wird neben Printmedien und Radio zu einem der zentralen Mittel gesellschaftlicher Kommunikation. Die analoge Videotechnik wird in Form von Videokameras und Monitoren erstmals für private Konsument:innen verfügbar. Mit Fernsehen und Video entsteht nicht nur eine neue Bildsprache, sondern vor allem eine bis dahin nicht vorhandene, zunehmend überbordende Medienrealität. Beispielhaft dafür steht der Vietnamkrieg: In den 1960er-Jahren überträgt das Fernsehen erstmals reale Kriegsbilder in die Wohnzimmer der Menschen. Seitdem werden Kriege immer auch auf dem Bildschirm ausgetragen.

Den Potenzialen der neuen Medientechnologien stehen ungeahnte Manipulationsmöglichkeiten gegenüber. Die Medienkünstler:innen der Frühzeit sind sich dessen bewusst. Viele ihrer zentralen Werke wirken wie Lehrstücke. So haben auch die hier gezeigten Arbeiten aus den Bereichen Video und Film einen experimentellen und didaktischen Charakter. Sie untersuchen die technologischen, ästhetischen und wahrnehmungspsychologischen Strukturen der neuen Medien und fragen nach deren Auswirkungen auf die Nutzer:innen: Wie wird unser Verständnis von Wirklichkeit durch Medien neu konstruiert, wie können diese Technologien unsere Wahrnehmung verändern und manipulieren?

Körperbilder
Augmented-Reality-Schönheitsfilter auf visuellen Social-Media-Plattformen sind beliebte digitale Werkzeuge. Nutzer:innen können mit diesen Tools ihr Gesicht live verändern, wobei sie sich an aktuellen Schönheitsidealen orientieren. Beauty-Filter stellen ein Dilemma dar: Sie sind unterhaltsam und befriedigen die Sehnsucht nach Jugend und Schönheit, führen aber auch zu einem verzerrten Selbstbild und Unzufriedenheit mit dem eigenen Körper. Sie geben uns ein aktuelles Beispiel dafür, wie sehr Medienwirklichkeiten das Körperbewusstsein der Menschen verändern können.

In der Medienkunst ist die Auseinandersetzung mit dem Körper nicht zufällig ein Thema, das sich von den Anfängen bis in die Gegenwart verfolgen lässt. Mit der Übersetzung des Körpers in eine gänzlich transformierbare, virtuelle Erscheinung entsteht ein völlig neues Verständnis von Körperlichkeit. Die hier präsentierten Werke veranschaulichen dieses neue, medial geprägte Bild des Körpers. Ein eindrucksvolles Beispiel ist das Hologramm Huddle (1976) von Simone Forti, das eine ineinander verschlungene Gruppe von Menschen in Bewegung zeigt. Das Hologramm suggeriert durch seine besondere Medialität eine dreidimensionale Realität, macht aber gleichzeitig deutlich, dass es sich nur um eine phantomhafte Erscheinung handelt. Das Körperliche entgleitet richtiggehend spürbar ins Immaterielle und verweist damit auf diese Grundkonstante medialer Bilder.
Die Ausstellung stellt das Hologramm in einen Dialog mit Videoarbeiten und computergenerierten Bildwelten. In all diesen Arbeiten geht es um die – konfrontative oder partizipative – Wechselwirkung zwischen dem Realen und dem Medialen und um die Frage, wie die neu geschaffenen Medienwirklichkeiten unser Körperbewusstsein verändert haben und weiter verändern.

Übertragungen
Harun Farockis Videodokumentarfilm Übertragung (2007) und Friedl vom Gröllers 16mm-Film Jonas Mekas und Peter Kubelka (1994) porträtieren Momente der Berührung, in denen das Mediale eine zentrale Rolle spielt. Farockis Film ist eine Studie über das menschliche Bedürfnis, Gegenstände und Stätten zu berühren, die spirituell oder mit Erinnerungen aufgeladen sind. Durch den unmittelbaren Kontakt entsteht eine Verbindung zu etwas anderem – zur Vergangenheit, zum Heiligen. Die Erinnerungsorte und Kultgegenstände werden dabei als Vermittler, als „Medien“ im Wortsinne, verstanden. Vom Gröller setzt das Medium Film nicht dokumentarisch, sondern performativ ein. Sie nutzt das Drehen mit der Kamera als Methode, um eine besondere Form der Verbindung zwischen sich und den von ihr porträtierten Menschen herzustellen. Mithilfe des Films schafft sie einen empathischen Blickwechsel, den sie auf uns als Betrachter:innen überträgt. Durch diese filmische Form des gegenseitigen Wahrnehmens und Erkennens entsteht eine Art unsichtbare emotionale Berührung.

Systeme
Das Medium Video bietet heute eine Vielzahl von Möglichkeiten, Film- und Tonmaterial grundlegend zu verändern, zu manipulieren und neu zu arrangieren. Die Arbeiten Video Nr. 12 von Heimo Zobernig und Dancing with Remote von Carola Dertnig entstehen um 1996/97, in der Zeit der ersten digitalen Videosysteme mit damals neuen Techniken derBildbearbeitung. Die beiden Werke verbinden Performance und Video, Körper und medialen Raum. Durch den geradezu demonstrativen Einsatz von Schnitttechniken oder mit dem sogenannten Chroma Keying – ein visueller Effekt, mit dem verschiedene Bildebenen ineinander überblendet werden können, sodass beispielsweise Hintergründe austauschbar werden
– machen sie den medialen Raum selbst zum Thema. Beide Arbeiten stellen einen direkten Bezug zu den Betrachter:innen her: Zobernig tut dies, indem er einen voyeuristischen Blick provoziert, Dertnig, indem sie uns mit ihren Gesten und Tanzbewegungen einbezieht.

Mit der Digitalisierung erleben wir eine Zäsur: In vielen Bereichen der Gesellschaft werden Systeme zur Erfassung, Speicherung und Auswertung von Daten eingesetzt, alles Erdenkliche wird gemessen, in Daten umgewandelt und analysiert. Richard Kriesche und Ulrich Formann beschäftigen sich in ihren Dateninstallationen mit genau dieser Zäsur und nutzen Daten als Material, um gesellschaftliche Prozesse sichtbar zu machen. Die Prozesse der Datafizierung liegen in der Regel unterhalb der Wahrnehmungsschwelle von uns als Nutzer:innen. Die Arbeiten von Kriesche und Formann zielen hingegen darauf ab, ein Bewusstsein für Datenprozesse zu schaffen, indem sie diese durch Interaktion und
Visualisierung greifbar machen.

Kurator: Jürgen Tabor

Museum der Moderne Salzburg
Museum der Moderne Salzburg Mönchsberg (Ebene 1)
Mönchsberg 32
5020 Salzburg, Österreich
www.museumdermoderne.at

Presse





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