Mit When Disaster Strikes zeigt die Kunsthalle Münster erstmals Werke der britischen Künstlerin Dominique White in Deutschland. Whites Werke sind ein Spiel mit Erinnerung und Metamorphose. In ihren unvorhersehbaren Formen hält das Verschwundene Einzug in die Räume der Kunsthalle. Die Skulpturen repräsentieren die Materialisierung Schwarzen Lebens jenseits seiner subjektiven Grenzen, als Leuchttürme oder Gefäße einer ignorierten Zivilisation.
Dominique White befasst sich mit Schwarzsein in seinen konzeptionellen und materiellen Implikationen. Ihre Arbeiten sind abstrakte Skulpturen, die aussehen, als seien sie dem Atlantik entnommen – Monumente einer Unterwassernation, die aus gesunkenen versklavten Menschen besteht. In ihrem Werk greift die Künstlerin verschiedene Legenden auf, die sich in den Tiefen des Wassers abspielen und dort ihren Grund haben. Im Nirgendwo unter dem Meeresspiegel, das von den gespenstischen Ruinen Schwarzer Leben bewohnt wird, existiert ein lebendiges Vokabular, das fantastische Kreaturen, Mythen und Fiktionen hervorbringt, die aus der undenkbaren Vereinigung des ungeborenen Kindes, der Versklavten und der Schiffbrüchigen hervorgehen.
Den fragil erscheinenden Werken wohnt eine unmittelbar spürbare Brutalität inne. In ihrem visuellen Vokabular kombiniert White die Nachahmung eines Schiffswracks mit zerstörten Segeln, maroden handgeflochtenen Netzen, Tauen und zerschlissenen Bojen, die wie in ein gespenstisches Leichentuch aus Kaolin gehüllt sind. Auch Harpunen, die vom Salzwasser zersetzt erscheinen, sind wiederkehrende Elemente in ihrer Arbeit. In den ausschließlich neuen Werken, die sie für die Ausstellung in der Kunsthalle produziert hat, greift Dominique White zudem das Motiv des Fangkorbs auf und verwendet diesen in abstrahierter Form. Mit Hilfe des Korbs bringt sie Dinge an die Oberfläche, Geschichten werden geborgen, verharren nicht länger unter dem Meeresspiegel. Zugleich zieht er Schiffe in den Abgrund, vergessene unsichtbar im Meer treibende Hummerkörbe werden immer wieder zur Falle, die Seeminen vergleichbar, unterschiedslos wirkt und Schiffe zum Kentern bringen.
Die Verletzlichkeit von Dominique Whites Skulpturen ist kompromisslos. Als zerbrechliche Gebilde balancieren die skulpturalen Körper zwischen den Zuständen der Erhaltung, des Verfalls und der Zerstörung; Geister unter Geistern. Die Skulpturen verkörpern die Ablehnung einer Zukunft, die auf der Gewalt des Kolonialismus fußt. Die Künstlerin recherchiert fundiert zu ihren Arbeiten und ist dabei inspiriert von den Klängen des Detroit Techno. Sie bezieht sich vor allem auf afrofuturistische Erzählungen, wie sie von DJ Stingray, Drexciya und Tygapaw geschildert werden. Die Künstlerin verschränkt Theorien der Black Subjectivity, des Afropessimismus und der ‚Hydrarchie‘ – die Struktur, durch die imperiale Regierungen ihre Macht über Territorien behaupten, indem sie die Ozeane beherrschen – mit den nautischen Mythen der Schwarzen Diaspora zu einem Begriff, den sie als „Shipwreck(ed)“ definiert. Mit dem Meer als Träger des Todes ist der Ausgangspunkt ihres Denkens eine Ausweglosigkeit. White erzeugt Aufmerksamkeit für die Verheerungen eines Schwarzen Lebens in einer weißen Welt, in der die Unterdrückung der Schwarzen kein Relikt der Vergangenheit ist. Auch die unbestreitbaren Erfolge des Civil Rights Movements oder von Black Lives Matter konnten dies nicht grundlegend infrage stellen – ein Befund, in dem eine radikale Kritik am schleppenden Fortschritt der Gleichberechtigung steckt.
Kunsthalle Münster, Hafenweg 28, 5. Stock, 48155 Münster
www.kunsthallemuenster.de
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