Ob wir an einen Gott glauben oder nicht, ob wir uns nun als Theisten, Atheisten oder gar Antitheisten bezeichnen, unsere Welt wird tiefgreifend von Ideen und Konzepten um Gott und das Göttliche beeinflusst. Die Vorstellung des Göttlichen, Absoluten und das menschliche Streben, sich mit einer «höheren Macht» in Einklang zu bringen, sie zu einem Bild des transzendenten, guten Schöpfers zu verdichten, um über dessen kollektive Verehrung Schutz, Trost und Glück zu finden, aber auch um Herrschaftsverhältnisse abzusichern, sind so alt wie die Menschheit.
Warum verhindert oder lindert ein solches höheres Wesen nicht Leiden und Unglück auf der Welt? Diese zentrale, kritische Frage, die seit Anbeginn der Religionen Gläubige wie Nichtgläubige beschäftigt, findet ihre (vorläufige) Zuspitzung in der Formulierung, dass Gott stets einer ist, der Auschwitz zugelassen hat – und ist ein Schwerpunkt dieser Ausstellung. Die sich zuspitzenden Problemstellungen des 21. Jahrhunderts, wie religiöse und ethnische Konflikte und Terrorismus, der Kampf um Naturressourcen (und damit verbundene Armut und Hungerkatastrophen), die Globalisierung und der Mangel an rationalen Lösungen zur Rettung der Welt scheinen einerseits zu korrespondieren mit einer erhöhten Glaubensbereitschaft, mit einer gesteigerten Bindung an verschiedene Religionskulturen, mit einem teils fanatischen, radikalisierten Festhalten an Glauben und Religiosität.
Andererseits sind Abkehr von der Kirche, Glaubensdefizit und Glaubensmissbrauch keine Seltenheit, verlieren Menschen ihren Glauben, geben sich anderen Formen der Spiritualität hin, suchen nach neuen Inhalten für ihr Leben, an denen festzuhalten erstrebenswert scheint. Offenbar ist der Mensch ohne Glauben kein Mensch. Dennoch wird die Religion als «Seufzer der bedrängten Kreatur», «Gemüt der herzlosen Welt», «Geist geistloser Zustände» und «Opium des Volkes» (Karl Marx), aus der man sich zu höherem Menschsein nur durch totales Abstreifen des abendländischen Christentums mit einer «Umwertung aller Werte» (Friedrich Nietzsche) aufschwingen könne, ebenso kritisiert, wie die Glaubenskultur schlechthin von zahlreichen Wissenschaftlern, Historikern, Psychologen und Völkerkundlern angefochten wird, die im zurückliegenden Jahrzehnt jegliche Formen von Religion, Irrationalismus, Aberglaube und Pseudowissenschaft ablehnten und sich für eine von Vernunft und Verstand anstelle von religiösem Hass und Irrationalismus dominierte Welt einsetzten. Jene, die sich zum traditionellen Glauben bekennen: Was haben sie gefunden? Und jene, die sich neu auf die Suche machen: Wonach trachten sie? Eint beide die gemeinsame Vorstellung von einer gemeinschaftlichen Utopie des Paradieses auf Erden? Teilen sie dasselbe Dilemma von der Unauffindbarkeit dieses Ortes, während sie in verschiedenen Flucht- oder Kulminationspunkten ihr Heil suchen? Was kann Gott ihnen bieten? Was ist mit Gott passiert in einer Welt, in der sich viele desillusioniert von ihm abwenden, andere ihn nur mit Gewalt zu verteidigen wissen, wiederum andere sich in Angst und Schrecken abkehren und die zur Gewohnheit gewordenen Bilder religiös motivierter Gewalt zwar konsumieren, aber ignorieren? Künstler zu sein, das Bekenntnis zur Kunst auszuleben, heißt das nicht auch, wie ein praktizierender Gläubiger, ein Mönch, zu agieren, mit dem Ziel, dem eigenen und dem Leben der Anderen neue Inhalte zu geben? Kennt Kunst Antworten auf die Frage: What Happened to God? Bildende Künstler sind der Faszination und den Widersprüchen von Glauben und Religion und ihren irdischen wie himmlischen Erscheinungsformen auf den Spuren.
Künstlerliste: Julia Benkert | Peter Beste | Marc Bijl | BORIS+NATASCHA | Boris Eldagsen | GODzilla- Productions | Christian Jankowski | Helmut & Johanna Kandl | Cristina Lucas | Rory Macbeth | Nii Obodai | Dan Perjovschi | Per Teljer
Abbildung: Helmut und Johanna Kandl: Loreto, 2008.
Öffnungszeiten:
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Fr, Sa: 12-20 Uhr
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99423 Weimar
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Medienmitteilung
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