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Dominique Hurth. Privathandtaschen dürfen zum Außendienst nicht mitgetragen werden

18.10.2025 - 25.01.2026 | Württembergischer Kunstverein, Stuttgart

Eingabedatum: 19.10.2025

Werkabbildung
Installationsansichten Guilty, Guilty, Guilty!, Kunstraum Kreuzberg, Berlin, 2023, Fotos: CHROMA
Die Künstlerin Dominique Hurth hat für die Räume des Württembergischen Kunstvereins eine neue Präsentation ihres langjährigen künstlerischen Forschungsprojekts zur weiblichen NS-Täterschaft entwickelt. Ausgangspunkt ist dabei die Figur der Aufseherin im Frauen-Konzentrationslager Ravensbrück. Der Titel geht auf eine Anordnung des Lagerkommandanten Max Koegel aus dem Jahr 1942 zurück.

Im Lager Ravensbrück, das zugleich als zentrale Ausbildungsstätte des weiblichen Wachpersonals aller Konzentrationslager diente, arbeiteten zwischen 1939 und 1945 rund 3.340 meist junge Frauen als Aufseherinnen, die der SS vertraglich unterstellt waren. Für ihren oftmals gewaltvollen Einsatz erhielten sie Privilegien und eine gewisse Unabhängigkeit.

Hurth widmet sich in der Ausstellung drei zentralen Aspekten: den Uniformen der KZAufseherinnen, der Textilproduktion in Ravensbrück sowie den NSKriegsverbrecher*innenprozessen in Lüneburg (Belsen-Prozess, 1945), Hamburg (Ravensbrück-Prozesse, 1947–1948) und Düsseldorf (Majdanek-Prozess, 1975-1981).
Die Uniformen der Aufseherinnen werden im Hinblick auf ihre Repräsentationen von Geschlecht und Status sowie auf ihre Beziehungen zur damaligen und heutigen Mode und Modeindustrie untersucht. Diese Uniformen wurden, ebenso wie Häftlingskleidung und Frontuniformen, in Ravensbrück unter den Bedingungen von Zwangsarbeit produziert, deren ökonomische, logistische und gewaltförmige Strukturen Hurth freilegt. Sie fragt auch nach den Kontinuitäten dieser Strukturen und den Lücken ihrer historischen Aufarbeitung.

Hurths Auseinandersetzung mit den NS-Prozessen – insbesondere ihrer Sprache, Architektur und Dokumentation – nimmt den gesellschaftlichen Umgang mit NS-Täterinnen in den Blick. Dieser ist bis heute von Tabuisierung, Verdrängung und Verharmlosung sowie von der Reproduktion geschlechtlicher Stereotype geprägt.
Als Gesamtarrangement konzipiert, zeigt die Ausstellung neben bereits bestehenden auch neue Werke, die unter anderem Bezüge zu Unternehmen wie Hugo Boss und Peek & Cloppenburg und deren Verschränkungen mit dem NS-Regime herstellen.

Sie umfasst textile und architektonische Installationen, die etwa auf einen Webstuhl oder Gerichtssaal verweisen, Aquarelle, die historische Dokumente aufgreifen und interpretieren, Texte, Dia- und Videoprojektionen sowie Dokumente und Objekte aus Archiven, Sammlungen und Theaterdepots. Experimente mit Textilien, Druckverfahren, Ausschnitten und Überlagerungen prägen die Gesamtinstallation: denn die Auseinandersetzung mit Materialien, Formaten, Sprache und Bildern ist zentral für Hurths künstlerische Forschung.

18.10.2025 - 25.01.2026
Württembergischer Kunstverein Stuttgart
Schlossplatz 2
D - 70173 Stuttgart

https://www.wkv-stuttgart.de/

Presse

Kontext

Einordnung:
Dominique Hurths Werk ist ein prägnantes Beispiel des „Forensischen Materialismus“, einer Strömung der Gegenwartskunst seit den frühen 2010er-Jahren. Künstler*innen dieser Richtung betreiben eine Art materielle Spurensuche, bei der sie historische Narrative nicht nur rekonstruieren, sondern durch die Analyse von Objekten, Archivalien und Produktionsprozessen dekonstruieren. Hurths Fokus auf die Textilität von Uniformen und die ökonomischen Strukturen der Zwangsarbeit ist hierbei charakteristisch. Durch die Verbindung von installativen, textilen und archivbasierten Medien legt sie die materiellen und ideologischen Verschränkungen von Täterschaft, Geschlecht und Ökonomie frei. Im Gegensatz zur reinen Erinnerungskultur zielt dieser Ansatz auf die kritische Offenlegung fortwirkender Strukturen und gesellschaftlicher Verdrängungsmechanismen.
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