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Cy Twombly im Kontext der Sammlung Brandhorst



Wohin man sich wendet, schreien einem die grellen Farben entgegen. Schlieren von Gelb, Orange und Feuerrot laufen die riesigen Leinwände hinunter, ein Farbrausch, metaphorisch aufgeladen. Bevor man den Titel der Werkserie kennt, trifft einen bereits die Unerhörtheit, mit der sie das ganze Blickfeld des Betrachters einnimmt. Mit dem Titel „Lepanto“ vor Augen, erinnern die unentschlossenen Formen dann plötzlich an Schiffe und das glühende Rot scheint zwingend angesichts des Blutrausches der historischen Vorlage, der Seeschlacht bei Lepanto, die zehntausende Menschen das Leben kostete und als eine der größten Galeerenschlachten der Geschichte gilt. Cy Twombly, der kürzlich in Rom verstorbene US-amerikanische Künstler, bildet eine Begebenheit ab, übersetzt sie in reine Malerei und überhöht sie im selben Moment zu einem ästhetischen Sinnesrausch.
Museum Brandhorst

Museum Brandhorst,Vorderansicht München

Ein Glücksfall, dass alle zwölf Bilder der Serie Teil der Udo und Annette Brandhorst Stiftung sind. Das eigens für die Sammlung errichtete Museum in der Türkenstraße setzt architektonische Maßstäbe. Sauerbruch Hutton ist es gelungen, Raum zu schaffen, der sich bescheiden gibt und gleichzeitig ein städtebauliches Zeichen setzt. Große, zur Straße gerichtete Glasfronten holen die Außenwelt ins Museum, ohne die Wirkung der ausgestellten Arbeiten zu beeinträchtigen.
Der Fokus der Sammeltätigkeit des Ehepaars Brandhorst liegt auf europäischer und nordamerikanischer Kunst der Moderne und Gegenwart. Neben der ständigen Sammlung, die in den nächsten Wochen mit Beiträgen von Mike Kelley und Dan Flavin neu ausgerichtet wird, lockt das Museum Brandhorst mit Einzelausstellungen, aktuell zwei Videoarbeiten des Briten Isaac Julien und eine Skulpturenserie von John Chamberlain.

Museum Brandhorst Detail

Museum Brandhorst Detail, München

Den Sammlern ist ihre Liebe zu den Arbeiten Cy Twomblys anzumerken, neben Andy Warhol ist er der am häufigsten vertretene Künstler. Fast das gesamte Obergeschoss des Museums huldigt dessen malerischen und skulpturalen Träumereien, etwa seinen Rosenzyklen: Großformatige, mehr oder weniger abstrahierte Darstellungen von Rosenblüten, denen Verse von Rilke, T.S. Elliot und Ingeborg Bachmann gegenübergestellt werden.

Transzendenz ist eine der Ideen, die auch das Oeuvre des Künstlers James Lee Byars kennzeichnen. Im Erdgeschoss lädt eine polierte Granitplatte den Betrachter ein, ganz nah heranzutreten, um den winzig kleinen, in Gold gefassten Schriftzug „I am imaginary“ lesen zu können. Gleich daneben hängt Byars’ „The Play of Death“, ein mit schwarzem Seidenpapier ausgeschlagener Stern. Den Arbeiten des US-Amerikaners ist eine starke Haptik zu eigen und zugleich verweisen die Skulpturen auf eine Metaebene, deren Wurzeln in der abendländischen Philosophie und der japanischen Kultur liegen.

Auch im Untergeschoss setzt sich das Motiv einer metaphysisch aufgeladenen Ästhetik fort. Neben Sigmar Polkes fast bis unter die Decke reichenden „Marienerscheinung“ hängt Warhols "The Last Supper“, das Polkes Idee einer übernatürlichen Erfahrung mit seiner seriellen Verwertung ad absurdum kehrt. Klug und bezeichnend für die kuratorische Arbeit ist auch die Konfrontation mit Damien Hirsts Arbeiten, deren profane Ästhetik das sehr menschliche Streben nach Unsterblichkeit thematisieren. In seiner bekannten Arbeit "In This Terrible Moment" - einem überdimensionalen Setzkasten - reiht Hirst Pille für Pille neben-, über- und untereinander an, auf dass der Tod endlich besiegt werde.

Zurück im „Lepanto“-Raum: Abgesehen von den zwölf Bildern der Serie, die für die Biennale in Venedig konzipiert wurde, stehen lediglich zwei Skulpturen im Raum. Auf einer der beiden steht in der für Twombly typischen Krakelschrift: „to feel all things in all ways“. Hier, im obersten Stock des Museums Brandhorst, inmitten dieser Sinneskunst, glaubt man zu verstehen, was Twombly gemeint haben könnte. Hier findet sein Werk die denkbar angemessenste Würdigung vor, die ihm in diesen Tagen zuteil werden kann.

Abbildungen:
- Außenansicht Museum Brandhorst
Foto: Haydar Koyupinar, © Museum Brandhorst
- Innenansicht Museum Brandhorst mit dem Werk
Lepanto von Cy Twombly
Foto: Haydar Koyupinar, © Museum Brandhorst
- Innenansicht Museum, Brandhorst mit dem Werk Lepanto von Cy Twombly
Foto: Haydar Koyupinar, © Museum Brandhorst

Öffnungszeiten: Dienstag bis Sonntag 10-18 Uhr, Donnerstag 10-20 Uhr

Museum Brandhorst
Kunstareal München
Theresienstraße 35 a
80333 München
Telefon: 089

museum-brandhorst.de

Eva Biringer





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