Birgit Brenner. Ich bin nicht zärtlich. 2008. VG Bild-Kunst. Bonn 2012. Foto Uwe Walter. courtesy Galerie EIGEN + ART Leipzig/Berlin
Sehnsucht, Erwartung und Erschöpfung
Birgit Brenners Arbeiten sind raumgreifend und bestehen aus genagelten, gemalten, geklebten, geschriebenen oder sonst irgendwie montierten Materialien. Da stehen Pappen an der Wand, Latten stützen Collagen, da hockt ein schwarzer Königspudel aus Holz mitten im Raum und trägt ein Schild mit der Aufschrift „Grausam ist nur die Gegenwart“. Über der Zeichnung einer nackten Schönen steht geschrieben: „Ich habe erfahren, dass es niemanden gibt, der zu mir passt …“.
Was bedeutet das? Ein lakonischer Reflex auf den Abschied von einem Lebensabschnittsgefährten? Ein hysterischer Monolog über die Katastrophen des Lebens, dem widersprochen werden soll? Ein Zeichen suchender Trauer? Rotierender Stillstand? Vielleicht ein Hilferuf?
Viele der Ausstellungstitel, von Angst vor Gesichtsröte (1999/2000) bis zu Küss mich, bis es weh tut (2007) beschreiben Brenners Generalthema, die Beziehung zwischen Mann und Frau. Die Story wird meist aus der Perspektive der Frau entwickelt und die oft in griffigen Sätzen formulierten Texte pendeln zwischen Sehnsucht, Erwartung und Erschöpfung. Die Palette der Möglichkeiten reicht hierbei von „Er tat mir leid und ich tat es“ über „Ich bin nicht zärtlich“ bis zum finalen „Ich muss gehen. Es ist nicht böse gemeint.“ Das Szenario ist variabel und psychische Zustände werden schlaglichtartig abgetastet und in Bilder verwandelt, die wie eine Dokumentation persönlichen Unbehagens daherkommt. Die Grenzlinie zwischen Dokumentation und Fiktion bleibt jedoch unklar und wird nicht aufgelöst.
Neuere Arbeiten
In einigen neueren Arbeiten wird das zähe Unglück eines gemeinsamen Alltags verhandelt:
„Nach dem gemeinsamen Frühstück gibt er ihr seine halb aufgerauchte Zigarette. Mehr konnte sie nicht erwarten. Sie war weit über vierzig." Wenn die Differenz zwischen Ideal und ungeschönter Realität als Witz entspringt, dann gibt es bei Birgit Brenner viel zu lachen.
Die griffig formulierten Beziehungserfahrungen sind pointiert und kokettieren bisweilen mit einer Trauer, die sich möglicherweise auch aus einer durchaus romantischen Gesinnung speist. Doch der Wind, der bei Birgit Brenner zwischen Pappkameraden, Fotofragmenten, Schrifttafeln und grober Zeichnung weht, ist rau und abgeklärt. Die Verzweiflung, die hier herrscht, speist sich aus Lebenslust und deren Scheitern in einer Tristesse, die kein Ende hat. Das schmerzt, aber die Künstlerin ist keine Therapeutin und möchte dies auch nicht sein. Die Katastrophe ist Normalzustand, so wie das blutrot neben einem Koffer hingerotzte „Happy End“ letztlich als Zeichen die Vergeblichkeit siegelt.
Jedes Bemühen ist scheinbar ohne Aussicht auf Erfolg und erinnert an das Musizieren der Klavierspielerin von Elfriede Jelinek. Vielleicht, so könnte man in Stille hoffen, kommt es ja im Kontinuum der permanenten Katastrophe, im Sinne von Walter Benjamins Thesen, schließlich zu jenem kleinen „Sprung“, der die Veränderung bewirkt beziehungsweise anstößt. Die latente Sprengkraft von Ausnahmezuständen ist vielfach erwiesen. Im Text der Ausstellung Sie lacht nicht ohne Grund (Ulm 2003/2004) heißt es: „Ich bin allein. Ich habe Angst. Und das schon lange. Ich bin schüchtern und hasse mich. Man sagt, ich werde noch irrsinnig. Ich bin sehr einsam. Ich halte niemanden aus. Man muss vorsichtig sein und misstrauisch. Ich bin ohne Wert. Niemand sagt mir das direkt ins Gesicht, aber ich spüre, was sie über mich denken...“
Birgit Brenners Figuren sind weder verrückt noch asozial. Sie gehören dazu und leben so, wie es viele tun. Die Künstlerin pickt sich die Sätze zu ihren Bild-Geschichten aus dem Internet, aus Illustrierten oder aus Unterhaltungen, schreibt sie weiter und fügt sie in Storyboards zusammen. Zu diesen Geschichten entstehen Skulpturen und Installationen, die in der Regel unter dem Titel einer Geschichte ortsbezogen entwickelt werden. Die Materialien kommen in der Mehrzahl aus dem Baumarkt und nicht vom klassischen Künstlerbedarf: Latten, Pappen, Klebeband, Nägel und Fäden sind per se unverdächtig und stützen gerade deshalb die Inhalte in rauer Harmonie.
Biografisches
Birgit Brenner wurde 1964 in Süddeutschland geboren und lebt und arbeitet in Berlin. Sie studierte von 1985 bis 1990 Kommunikationsdesign an der Fachhochschule für Gestaltung in Darmstadt und ab 1990 bei Rebecca Horn an der Hochschule der Künste in Berlin. 1996 beendete sie das Studium mit einem Meister schülerabschluss und lehrt seit 2007 Fotografie, Zeichnung und Neue Medien an der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste in Stuttgart.
Ihre Arbeiten wurden in zahlreichen Ausstellungen, vor allem in Europa und den USA, gezeigt. Viele der Werke sind Teil bedeutender nationaler und internationaler Sammlungen. Birgit Brenner gehört heute zu den bedeutendsten Künstlerinnen ihrer Generation in Deutschland und wurde mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet. 1996 erhielt sie beispielsweise ein DAAD-Stipendium für Paris, 2001/2002 ging sie mit dem P.S.1-Stipendium nach New York, 2003 erhielt sie den Christian Karl Schmidt Förderpreis für zeitgenössische Kunst und 2004 wurde sie mit dem Kunstpreis der Tisa von der Schulenburg-Stiftung geehrt.