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25. VIDEOKUNST FÖRDERPREIS

THE RANDOM COLLECTIVE STEFANIE SCHROEDER UND JULIA WEIßENBERG In Kooperation mit dem Filmbüro Bremen

17. März bis 13. Mai 2018 | GAK Gesellschaft für Aktuelle Kunst, Bremen

Zum 25. Mal hat das Filmbüro Bremen den Videokunst Förderpreis vergeben. Er zeichnet Videokunst-Projekte aus, die mit dem Preisgeld verwirklicht und im Folgejahr im Rahmen einer Ausstellung in einer Bremer Kunstinstitution präsentiert werden. Zum 25. Jubiläum findet diese in der GAK Gesellschaft für Aktuelle Kunst statt. Die Jury (der Filmemacher Thomas Kutscher, die Kunst- und Filmwissenschaftlerin Christine Rüffert und der Künstler Lukas Zerbst) hat sich für drei Arbeiten entschieden, die sich mit einigen der großen Fragestellungen des Kapitalismus im 21. Jahrhundert auseinandersetzen: Arbeit und Optimierung, Authentizität im Kontext von Globalisierung sowie dem sich wandelnden Verhältnis von Mensch und Maschine. Der Schwere der Themen werden dabei Ironie und absurde Elemente entgegengesetzt. Die Filmebene wird darüber hinaus auf installative oder performative Weise erweitert.

WORKERS4 von THE RANDOM COLLECTIVE (ein Kollektiv aus 19 Kulturschaffenden aus ganz Europa) reagiert auf aktuelle gesellschaftliche Tendenzen: Mensch gegen Maschine, künstliche Intelligenz, Cyborgs und BigData beschwören heute mehr denn je das Ende der Arbeit und werfen Fragen nach der Rolle des Menschen in unserer Zeit auf - auch danach, wer wen in welcher Weise kontrolliert. Mit der fortschreitenden Vernetzung werden Kontrollmöglichkeiten geschaffen, die jedes Individuum zur vollständigen Transparenz verdammen. Wer über diese Informationen und den Zugriff darauf verfügt, steuert auch die Bedürfnisse und Wünsche der Menschen. Gerade erst haben die USA die Netzneutralität abgeschafft, die Volksrepublik China hat DNA und Biomaterial von mehr als 11 Millionen Uiguren registriert und Großbritannien knackt bald die Marke von 6 Millionen installierten Überwachungskameras.

Über diese Fragestellungen hinaus ist für die Arbeitsweise von THE RANDOM COLLECTIVE der Prozess des Filmemachens selbst elementar: der Herstellungsprozess des Werkes ist zugleich auch Teil der Auseinandersetzung mit potentiellen (künstlerischen) Arbeitsweisen. Die 19 Kulturschaffenden des Kollektivs haben sich in einem experimentellen Filmlabor getroffen, in dem kollektiv und interdisziplinäre gearbeitet wurde. Ein 200 qm großes Atelier wurde dafür mit Pappkarton, Dachlatten und anderen Materialien in ein expressionistisches Science-Fiction Filmstudio verwandelt. Theater, Komposition, Installation, Gesang, Tanz und visuelle Anthropologie werden zusammengeworfen und der Prozess des Schreibens, Inszenierens, Filmens sowie die komplette Post-Produktion geschahen „onstage“.

Alles wurde im Moment erarbeitet. Ein vorher definiertes Regelwerk legte Rollen, Verhaltensweisen und Rahmenbedingungen fest. So wurden z.B alle Aufgaben im Halbstunden-Takt durchgewechselt: der Kameramann wurde zum Performer, der Koch zum Manager, der Bühnenbildner übernahm die Regie. Gearbeitet wurde 24/7 bis zur individuellen Erschöpfung. Die selbst auferlegten Regeln sorgen für Selbstausbeutung und Hysterie, ganz im Schlingensief'schen Sinne. So entstand eine unvollständige Video-Performance-Oper in 5 Akten, in der die Rolle von (Kultur)Arbeiter/innen in ihrer automatisierten, globalisierten und überwachten Gegenwart und Zukunft verhandelt wird.

STEFANIE SCHROEDER (*1981 in Weimar, lebt in Leipzig) legt in ihrer 2-Kanal-Videoprojektion 40h, max. 2 Monate den Fokus auf die Person der Künstlerin, die sich auf dem freien Markt behaupten muss. Die Arbeit ist eine Fortsetzung ihrer Beschäftigung mit den Rahmenbedingungen von künstlerischer Produktion. 40h, max. 2 Monate entstand nachdem das Jobcenter sie zur Teilnahme an der Maßnahme Unternehmensoptimierung – Bedarfs und -situationsorientierte Kenntnisvermittlung für erwerbsfähige, leistungsberechtigte Selbstständige der IQ-Unternehmensberatung angehalten hatte. Eine in diesem Rahmen ermittelte Entwicklungsprognose sollte über den Erhalt oder die Aufgabe ihrer Selbstständigkeit bestimmen. Schroeders Anfrage, den Prozess filmisch zu dokumentieren, wurde abgelehnt. So entwickelte sie ein Script für eine filmische Collage zwischen Powerpoint-Präsentation und Videoessay. Gesprächsnotizen, Hand-Outs und Korrespondenzen der Treffen dienten als Grundlage für nachgestellte Szenen mit (Laien)Darsteller/innen. Diese wurden kombiniert mit Auszügen aus Traum- Tagebüchern, Bildbearbeitungs-Tutorials und Stockfotoportalen, Was bedeutet Optimierung? Wie werde ich als Individuum beschrieben, eingepasst und gegebenenfalls verformt? Diese Fragen überträgt Stefanie Schroder auf die Bildebene, indem sie Werkzeuge wie „Freistellen“, „Verflüssigen“ oder „Rauschreduzieren“ als erzählerische Elemente einsetzt, um das nicht gestattete dokumentarische Bild zu umschreiben oder zu ersetzen. Die chronologische Dramaturgie, die dem Aufbau der Maßnahme folgt, wird dabei durch Loops, Zeitschleifen und Löcher immer wieder gebrochen.

Hallstatt von JULIA WEIßENBERG (*1982 in Bergisch Gladbach, lebt in Köln) kombiniert Aufnahmen aus dem österreichischen Hallstatt und der gleichnamigen Kopie des Dorfes, die sich in der südchinesischen Provinz Guangdong befindet. In langsamen Schwenks und ruhiger Einstellung nähert sich die Kamera dem österreichischen Bergdorf, das malerisch an einem See gelegen ist. Mit der Zeit kommt es zu Irritationen: Die Vegetation erscheint subtropisch, einige Schilder im Dorf sind mit chinesischen Schriftzeichen versehen und schließlich scheint das Video nichts „Reales“ mehr abzubilden. Durch die Montage verschmelzen die beiden Orte miteinander. Weißenberg reflektiert Fragen zu unterschiedlichen Konnotationen von Original und Kopie sowie zur Authentizität im Kontext des Tourismus, der Globalisierung bzw. der Hyperkulturalität. Durch den Einsatz von 3D-Animationen setzt sich diese Auseinandersetzung auf der Bildebene fort und wird durch eine Pflanzen-Installation im Ausstellungsraum noch inhaltlich erweitert.

Das Kopie ist im Westen klassischerweise an ein Original und ein/e Autor/in gebunden. Die Kopie meint hier Nachahmung und reicht nicht an den Wert des Originals heran. Teil der Aura des Originals ist das Immaterielle oder Mythische, durch welche es mit Exklusivität oder gar Spiritualität aufgeladen wird. Die Haltung Chinas gegenüber der Kopie unterscheidet sich grundlegend von dieser Sicht und betrifft die Bereiche der Waren, der Kunst und der Städte. Der chinesische Begriff des Originals wird durch eine ständige Wandlung bestimmt und wurzelt in der buddhistischen wie taoistischen Vorstellung eines kontinuierlichen Prozesses. Das Kopieren alter Meister ist gängige Kunstpraxis und dient dem Erlernen, ist aber gleichzeitig auch Ausdruck der Wertschätzung und des Respekts. Diese unterschiedlichen Auffassungen von Original und Kopie bergen das Risiko von Missverständnissen und Vorurteilen und fordern einen respektvollen Umgang mit Fremdheit und „dem Anderen“ heraus. Die 1-Kanal-Projektion Hallstatt wird erweitert um ein Blumenbeet, dessen besondere Bepflanzung die Thematik des Films in gewisser Weise wieder aufgreift: Bei der chinesischen Hanfpalme etwa handelt es sich um einen sogenannten (invasiven) Neophyten, einen Organismus, der in einem Gebiet siedelt, in dem er zuvor nicht heimisch war und „verdrängendes“ Potenzial hat. Im Gartenidyll können die dort gepflanzten Neophyten zur Diskussion um Analogien zu Diskursen der Migrationspolitik und Diskriminierung einladen.


GAK GESELLSCHAFT FÜR AKTUELLE KUNST
Teerhof 21
D-28199 Bremen
gak-bremen.de


Presse





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