Die polnische Kunst der 1960er- und 1970er-Jahre ist geprägt von einer im sozialistischen Osteuropa einmaligen Vielfalt und Offenheit der Positionen. Ihre freie Entfaltung wurde im Unterschied zu den meisten sozialistischen Nachbarländern kaum vom Staat behindert. In Auseinandersetzung mit der eigenen modernistischen Tradition und im Kontakt mit künstlerischen Strömungen im Westen entwickelte sich in Polen eine eigenständige und gut vernetzte Szene konzeptueller Kunst auf internationalem Niveau, die in Deutschland bis heute aber nahezu unbekannt geblieben ist.
50 Jahre nach dem Epochenjahr 1968, als es auch in Polen zu gesellschaftlichen Protesten kam, und 100 Jahre nach der Gründung der Zweiten Polnischen Republik bietet das Jubiläumsjahr eine besondere Gelegenheit, einen Beitrag zur selbstgestellten Aufgabe der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden (SKD) zu leisten, künstlerische Positionen aus Osteuropa in den Blick zu nehmen.
Die Ausstellung „Exercises in Freedom. Polnische Konzeptkunst 1968–1981“, die vom 29. Juni bis 23. September 2018 im Kupferstich-Kabinett zu sehen ist, stellt Etappen und Protagonist*innen der polnischen Konzeptkunst vor. Dabei liegt der Fokus auf der Zeit vom Ende der 1960er-Jahre bis 1981, als das Kriegsrecht mit dem Ziel ausgerufen wurde, die Demokratiebewegung um die Gewerkschaft Solidarność zu zerschlagen. Das Spektrum der etwa 150 gezeigten Arbeiten, darunter Papierarbeiten, Zeichnungen, Fotografien, Filme und Dokumente, reicht von institutions- und gesellschaftskritischen Positionen bis hin zu bild- und sprachanalytischen. Die Präsentation umfasst Werke von Włodzimierz Borowski, Andrzej Dłu#380;niewski, Stanisław Dróżdż, Zdzisław Jurkiewicz, Barbara Kozłowska, Jarosław Kozłowski, Edward Krasiński, KwieKulik, Natalia LL, Roman Opałka, Ewa Partum, Józef Robakowski, Jerzy Rosołowicz, Ryszard Waśko, Krzysztof Wodiczko und Agnieszka Polska.
Alle 16 Künstler*innen in der Ausstellung teilten die Haltung, den in West und Ost spürbaren innovativen Geist des künstlerischen und gesellschaftlichen Aufbruchs nach 1960 für eine grundlegende Erweiterung des Kunstbegriffes nutzbar zu machen. Den Akteur*innen wurde vom Staat eine relativ große Freiheit zugestanden, solange sie nicht offen gegen das kommunistische System agitierten. Deshalb konnte sich zwischen Warszawa, Łódź, Poznań, Wrocław und anderen Städten ein weitgehend unabhängiges Netzwerk aus Galerien, Kunstfestivals, Gruppierungen und internationalen Initiativen bilden. Die Werke und Aktivitäten der Künstler*innen können als antiautoritärer Widerstand und als Übungen zur Freiheit verstanden werden.
Seit der Schenkung des Archivs der Avantgarden (AdA) durch den Kunstsammler Egidio Marzona an die Staatlichen Kunstsammlungen Dresden im Jahr 2017 ist es schon mit verschiedenen Präsentationen, Workshops und Diskussionsveranstaltungen im Japanischen Palais auf die Öffentlichkeit zugegangen. Im Kupferstich-Kabinett ist es nun erstmals integraler Bestandteil einer Ausstellung und zeigt sein immensens Potential: Nicht nur ergänzt es die künstlerischen Arbeiten durch historische Dokumente, Briefe, Manifeste und Fotografien, sondern es entwickelt auch das für die polnische Kunstszene so zentrale Prinzip der Vernetzung in einem eigenen Ausstellungskapitel weiter. Die Zusammenarbeit zwischen Kupferstich-Kabinett und AdA ist ihrerseits Ausdruck der Idee der Vernetzung der einzigartigen Sammlung von Egidio Marzona mit allen Museen unter dem Dach der SKD.
Staatliche Kunstsammlungen Dresden
Residenzschloss, Kupferstich-Kabinett,
Taschenberg 2
01067 Dresden
https://www.skd.museum/
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