Die Kunsthalle Bremen besitzt weltweit eine der größten Sammlungen der Computergraphik. 2018 nimmt das Museum drei Jubiläen zum Anlass, diese umfangreiche internationale Sammlung in den Mittelpunkt einer Ausstellung zu rücken. „Programmierte Kunst. Frühe Computergraphik“ zeigt eine Auswahl computergenerierter Graphiken aus der Bremer Sammlung, die zwischen 1955 und 1979 entstanden sind. Ergänzt wird die Präsentation durch zwei neue Arbeiten Frieder Nakes. Als ein Pionier der Computerkunst hat er die Konzeption der Ausstellung unmittelbar begleitet.
1968 verhalfen zwei Ereignisse, die sich 2018 zum 50. Mal jähren, der Computerkunst zu internationaler Anerkennung: Die Ausstellungen „Cybernetic Serendipity. The Computer and the Arts” in London und anschließend in New York, San Francisco und Washington D.C. sowie „Tendencies 4. Computers and Visual Research“ mit begleitendem Symposium in Zagreb. Als Ergebnisse neuer ästhetischer Formfindungen waren computergenerierte Musik, Choreographien, Texte, Computerfilme und Computergraphik entstanden.
2018 feiert zudem ein Pionier der Computerkunst seinen 80. Geburtstag: Frieder Nake. Die ersten künstlerischen Computergraphiken entstanden in einem industriellen beziehungsweise universitären Kontext und wurden vorwiegend von Wissenschaftlern und Technikern entwickelt. Gegen Ende der 1960er Jahre interessierten sich vermehrt Künstler für die neue Technik, sicherlich auch bedingt durch die verbesserten Ausgabetechniken über Plotter. Vor allem aber gab es offensichtliche inhaltliche Anknüpfungspunkte: Vornehmlich Künstler mit Bezug zur Konkreten Kunst traten in Erscheinung – eine Richtung, die im Idealfall auf mathematisch-geometrischen Grundlagen beruht.
Eines der zentralen Prinzipien der frühen Computergraphik ist der systematisch eingesetzte berechnete Zufall, deshalb besser „Pseudo-Zufall“ zu nennen. Die Programme bestimmen Komposition und formale Aspekte der Bilder und verhindern damit Chaos; die Pseudo-Zufallsgeneratoren entscheiden über die konkreten Werte der Bild-Parameter. Der Einsatz des Zufalls hat in der Kunst eine lange Tradition. Nach dem Zweiten Weltkrieg waren es vor allem die konkreten Künstler und die Protagonisten des Fluxus und Happenings, die den Zufall als mathematisches (algorithmisches) Prinzip einsetzten. Die Computerkünstler leisteten einen grundlegenden Beitrag dazu. Der Einsatz des Zufalls ermöglichte den Künstlern das Vordringen in neue Bildwelten, um „Formkombinationen zu finden, die man nie zuvor gesehen hat, weder in der Natur, noch im Museum“, so Vera Molnar, eine der Pionierinnen der Computerkunst.
Ein Großteil der Computergraphiken stammt aus der Sammlung Herbert W. Franke und wurde 2006 Dank der generösen Unterstützung durch die Kulturstiftung der Länder und der Ernst von Siemens Kunststiftung von der Kunsthalle Bremen erworben. 2007 fand die erste Ausstellung dieser Werke in der Kunsthalle statt.
Frieder Nake
Frieder Nake (* 16. Dezember 1938 in Stuttgart) ist Mathematiker, Informatiker und Semiotiker. Er studierte Mathematik an der Technischen Hochschule Stuttgart, arbeitete am dortigen Rechenzentrum und promovierte 1967 über Wahrscheinlichkeitstheorie. 1968/69 Postdoctoral Fellow in Computer Science an der University of Toronto. 1970–72 Assistant Professor in Computer Science an der University of British Columbia in Vancouver. Seit 1972 lebt er in Bremen und war bis 2004 Professor für graphische Datenverarbeitung und Interaktive Systeme an der Universität Bremen. Seit seiner Emeritierung Gastprofessor, dann Lehrbeauftragter an der Hochschule für Künste in Bremen und Weiterführung der Lehre und Forschung an der Universität Bremen. Ab 1980 Gastprofessuren an internationalen Universitäten und Hochschulen in Wien, Oslo, Boulder (Colorado, USA), Xian (Shaanxi, China), Aarhus, Lübeck, Basel, Krems, San José (Costa Rica), Shanghai, Stuttgart, Lüneburg.
Frieder Nake zählt zusammen mit Georg Nees und Michael A. Noll zu den Gründungsvätern der digitalen beziehungsweise algorithmischen Computergraphik. 1963 entwickelte er an der Technischen Hochschule Stuttgart ein Zeichenprogramm, das die Koppelung des Institutsrechners (SEL ER65) mit der neu angeschafften, legendären Zeichenmaschine des Computererfinders Konrad Zuse Graphomat (ZUSE Z64) ermöglichte. In der Folge entstanden die ersten Zeichnungen mit ästhetischem Anspruch.
Frieder Nake stellte u. a. in London, Zagreb, Tokio, Rio de Janeiro, Peking, auf der Biennale Venedig, im Zentrum Paul Klee Bern, im ZKM Karlsruhe, im Museum Abteiberg Mönchengladbach und im SprengelMuseum Hannover aus. In der Kunsthalle Bremen wurden seine Arbeiten zuletzt 2004 gezeigt.
Kunsthalle Bremen
Am Wall 207
28195 Bremen
kunsthalle-bremen.de
Presse
Kataloge/Medien zum Thema:
Frieder Nake
Kunsthochschule Berlin-Weißensee
Studio Hanniball
Max Liebermann Haus
Verein Berliner Künstler
Akademie der Künste / Hanseatenweg