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Language for Sale

07. 05. - 07. 06. 2021 | Edith-Russ-Haus für Medienkunst, Oldenburg

Mit „Language for Sale“ zeigt das Edith-Russ-Haus für Medienkunst ab dem 7. Mai eine internationale Gruppenausstellung, die Nonsens und Nonsens-Sprache in den Fokus nimmt. Die ausgestellten Arbeiten untersuchen auf humoristische Weise Momente, in denen sich Sprache und Rhetorik verändern. Gesellschaftliche Umbruchsituationen spiegeln sich immer auch in der Sprache und vor allem in den letzten Jahrzehnten beobachten die ausstellenden Künstlerinnen und Künstler eine zunehmende Verbreitung von Nonsens-Sprache, sei es in Werbung, sozialen Medien oder im Populismus auf der politischen Bühne. Zu den Ausstellenden gehören: Harun Farocki, Nicoline van Harskamp, Stefan Panhans, Elemér Ragály, Peter Rose, Kim Schoen und John Smith.

„Angeregt wurde die Ausstellung durch eine neue Arbeit von Kim Schoen, die im Rahmen eines Stipendienprogramms bei uns am Edith-Russ-Haus entstand“, sagt Medienkunsthaus-Leiter Marcel Schwierin. Schoen erforscht seit Jahren die Themen Nonsens und Wiederholung. Im Rahmen von „Language for Sale“ zeigt sie erstmals ihre neue experimentelle Installation „Baragouin“ (2021), die nach dem französischen Wort für „Kauderwelsch“ betitelt ist. In „Baragouin“ gibt die Künstlerin Objekten eine Stimme, die sie in einem Skulpturengeschäft in Los Angeles gefilmt hat. Dort wurden Nachahmungen von Skulpturen verkauft, deren Ursprünge vom Buddhismus über das Rokoko und den Neoklassizismus bis in die Moderne reichen. Schoen geht davon aus, dass der internationale Handel eine eigene Lingua franca (Verkehrssprache) hervorbringt, und inszeniert eine „Nonsens-Oper“, in der die kopierten Skulpturen in Stimmen zu „reden“ scheinen, die auf die Herkunft ihrer mutmaßlichen Originale verweisen.

Auch die anderen Arbeiten der Ausstellung beschäftigen sich mit der Rhetorik als einer öffentlichen Überredungskunst und ihren aktuellen Krisen. „Rhetorik ist ein problematisches performatives Genre“, weiß Edit Molnár, Leiterin des Edith-Russ-Hauses, und erläutert: „Sie kann Komplexes vereinfachen und so genutzt werden, andere zu inspirieren, aber auch zu beeinflussen. Die Kultur der politischen Rhetorik erfährt derzeit einen tiefgreifenden Wandel, der sich in aktuellen Reden und öffentlichen Verlautbarungen zeigt. Das Diskussionsklima verändert sich, da die rhetorische Kultur von verschiedenen Seiten unter Druck gerät, etwa durch verkürzte Aufmerksamkeitsspannen, durch das Misstrauen gegenüber Politik, oder durch von Wut getriebene Nutzung von Sozialen Medien. “

Die Arbeiten in „Language for Sale“ gehen verschiedenen ideologischen Umbrüchen von den 1970er Jahren bis heute nach, die sich in der Verwendung von öffentlicher Rede zeigen; dabei konzentrieren sich die Kunstwerke vor allem auf die performativen Herausforderungen, die die Sprechenden zu überwinden versuchen, um diese Übergänge zu meistern.

Elemér Ragályis 1972 in Ungarn entstandener Dokumentarfilm „Szónokképző iskola“ (Rednerschulung) begleitet einen Kurs, der staatliche Redner darauf vorbereitet, eine Bestattungszeremonie abzuhalten. Der Film offenbart den Kontrast zwischen den realen menschlichen Gefühlen bei solchen Anlässen, und der schmerzhaften Unangemessenheit der offiziellen Feierlichkeiten, die im sozialistischen Ungarn hastig erfunden wurden, um die traditionellen, zumeist religiösen Zeremonien zu ersetzen. Innerhalb der Ausstellung nimmt Ragályis Film eine Schlüsselstellung ein; diese beruht auf seiner Sensibilität für die Schwierigkeiten und das komische Potenzial von Reden in einem sich wandelnden ideologischen Kontext.

Ein weiterer Dokumentarfilm, der anhand eines Fortbildungskurses den Wandel der Zeit und die Komik von ungewolltem Unsinn untersucht, ist die Reportage „Die Schulung“ (1987) von Harun Farocki. Er betrachtet ein fünftägiges Seminar, in dem Führungskräfte und Manager lernen sollen, „sich besser zu verkaufen“. Kaufleute waren immer schon darauf aus, etwas zu verkaufen, aber erst durch die Verbindung aus Psychologie und modernem Kapitalismus entstand die Idee, sich selbst zu verkaufen, die den Aufstieg des Neoliberalismus förderte.

Peter Roses Video „The Pressures of the Text“ (1983) beschäftigt sich ausführlich mit der Grenze zwischen Sinn und Sinnlosigkeit im Sprechen über Kunst und in der Kunstkritik. Es verbindet direkte Ansprache, erfundene Sprachen, ideografische Untertitel, Zeichensprache und Simultanübersetzung, um den Eindruck und die Formen von Bedeutungsproduktion – das heißt, die veränderlichen Grenzen zwischen Bedeutung und Bedeutungslosigkeit – zu erforschen. „The Pressures of the Text“ parodiert die Sprachen des „artspeak“ oder „critspeak“, der Pädagogik, der Schauergeschichte und der Pornografie und wurde in den USA und Europa auch live aufgeführt.

Stefan Panhans macht aufwändige Videoarbeiten, deren Kulissen bis ins Detail ausgefeilt werden, während die Handlungen der Personen auf ein Minimum reduziert sind. In „Sieben bis zehn Millionen“ (2005) starrt ein junger Mann mit Hip-Hop-Cap und kunstfellbesetzter Parka-Kapuze wie in einem Musikvideo in die Kamera und performt einen hysterischen, abgehackten Monolog, der von dem Dilemma handelt, ein nicht näher bezeichnetes digitales Endgerät zu kaufen. Er beklagt die aufreibende „Konsumarbeit“ – die tagtägliche Verunsicherung und die Anfälle von Paranoia, die der Elektronikmarkt in ihm auslöst, was die Kaufentscheidung zu einer existenziellen und fast schon religiösen Frage erhebt.

John Smiths „Steve Hates Fish“ (2015) macht sich über eine der neuesten Erfindungen in der Sprachwelt lustig: automatische Übersetzungen mit Hilfe künstlicher Intelligenz. Der Künstler filmt den Bildschirm eines Smartphones mit einer Sprachübersetzer-App, die vom Französischen ins Englische übersetzen soll, und verwirrt die Software absichtlich, indem er sie englische Beschilderungen in einer belebten Londoner Einkaufsstraße übersetzen lässt − mit urkomischen Ergebnissen.

Im Zentrum von Nicoline van Harskamps Video „English Forecast“ (2013) und des Online-Sprachkursprojekts „Englishes Mooc“ (2019- ) steht der sich ständig wandelnde Zustand der dominanten internationalen Sprache – des Englischen. „English Forecast“ ist eine Performance und eine interaktive Medienarbeit, die im Auftrag der Londoner Tate Modern entstand. English Forecast beobachtet ein Team von vier Personen, die rezitieren, was van Harskamp als mögliche zukünftige Klänge der englischen Sprache ausgemacht hat. Die Dialoge, die realen Gesprächen abgehört sind, schweifen zusammenhanglos von freundlicher Akzeptanz zu warnenden Worten. In Anbetracht der Bedrohung, die eine dominante Lingua franca für andere Sprachen darstellt, deutet die Künstlerin an, dass es sich bei der Arbeit sowohl um „eine Diskussion über den Erhalt von Sprachen“ als auch deren Anpassung und möglichen Zerfall handelt.

„Englishes Mooc“ ist ein „Massive Online Open Course“, der für junge Kunstschaffende und ihr Publikum entwickelt wurde. Sie sollten ihr Englisch nicht mehr an einem „nativen“ Standard im internationalen Bereich messen. Wenn es an die Bedürfnisse seiner Nutzer angepasst wird, können neue Varianten des Englischen entstehen. Das Projekt hilft, praktische Fähigkeiten dazu zu entwickeln, sowohl mit voraufgezeichneten Vorträgen, als auch einer Plattform für Live-Diskussionen.

Die Ausstellung wird vom Niedersächsischen Ministerium für Wissenschaft und Kultur, von der Stiftung Niedersachsen und der Bremer Landesbank Stiftung gefördert.

Kuratiert von: Edit Molnár und Marcel Schwierin


Edith-Russ-Haus für Medienkunst
Katharinenstraße 23
D-26121 Oldenburg
www.edith-russ-haus.de

Presse





Kataloge/Medien zum Thema: Nicoline van Harskamp



Nicoline van Harskamp:


- Biennale of Sydney 2014

- Bucharest Biennale 4, 2010

- EVA International – Ireland’s Biennial, 2014

- Göteborg Biennale 2013

- Manifesta 9

- Taipei Biennial, 2008


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