Die Ausstellung „EFIE: The Museum as Home“ zeigt ab dem 10. Dezember im Dortmunder U historische und zeitgenössische Kunst aus Ghana. Zu sehen sind Videoarbeiten sowie multimediale Installationen von Afroscope, Diego Araúja, Rita Mawuena Benissan, Kwasi Darko, Kuukua Eshun, Na Chainkua Reindorf, Studio Nyali sowie El Anatsui. Diese Arbeiten zeitgenössischer Künstler*innen werden in Verbindung gebracht mit historischen Artefakten, Leihgaben aus deutschen Museen.
„EFIE“ bedeutet in den Akan-Sprachen „Zuhause“ oder „Heim“. Die Ausstellung stellt die Frage, wie ein Museum zu einem passenden Zuhause für die gezeigten Kunstwerke werden kann. Sie erweitert das traditionelle Verständnis von „Museum“, hinterfragt althergebrachte Präsentationsformen und bietet neue Perspektiven – auf die Kunst, aber auch auf die Realität, der sie entstammen. Konzipiert wurde die Ausstellung von der Kunsthistorikerin, Autorin und Filmemacherin Nana Oforiatta Ayim.
Europas Blick auf die Welt
Die so genannten enzyklopädischen Museen europäischer Machart mit ihren trans- und multikulturellen Sammlungen basieren auf mehreren Behauptungen. Eine davon ist, dass die Kulturgüter dort objektiv und wertneutral präsentiert würden. Tatsächlich konservieren die Museen eine subjektive, meist nationale, in jedem Fall rein europäische Perspektive auf die Welt – aber mit universellem Anspruch.
Das typische Museum – ein repräsentativer Bau, thematische Galerien und klimatisierte Vitrinen – wurde über zwei Jahrhunderte standardisiert und in alle Welt exportiert. Der dabei offensichtlich hierarchische Blick – je nachdem woher Werke stammten – wurde bis vor wenigen Jahren kaum in Frage gestellt. Er führte u.a. dazu, dass Kunstmuseen lange nur europäische oder US-amerikanische Künstler*innen zeigten, während Kunst aus dem Rest der Welt meist in ethnologischen Sammlungen landete.
Dies galt auch für die Kunst aus dem Gebiet des heutigen Ghana und den 53 anderen Ländern des afrikanischen Kontinents. Deutschland herrschte bis 1914 über die Kolonie „Togoland“, die den östlichen Teil des heutigen Ghanas umfasste. Damals sind von dort viele Kunstgegenstände direkt oder indirekt in den Besitz deutscher Sammlungen gelangt. Die Geschichten der Kunstgegenstände, ihre Herkunft, ihre Präsentation in Europa und die daraus folgende Wahrnehmung sind Zeitmaschinen, die aus der Vergangenheit bis heute unsere Gegenwart beeinflussen. Der Blick auf und die Geschichten über sie müssen angepasst werden – von allen Beteiligten.
Neue Perspektiven erzeugen
Das Dortmunder U versteht sich als Haus, das relevante, gesellschaftliche Themen aufgreift, möchte unterschiedlichen Perspektiven Raum geben und daran mitwirken, den lang gültigen Blick von Europa auf die Welt zu verändern. Gründe genug also, die international gefeierte Kuratorin und Kulturproduzentin Nana Oforiatta Ayim zu bitten, ihre Version und Vision eines Museums mit ghanaischen Künstler*innen im Dortmunder U zu inszenieren.
Das von ihr gegründete und geleitete ANO Institute of Arts and Knowledge arbeitet seit Jahren daran, panafrikanische Perspektiven durch Ausstellungen, Stipendien, den Aufbau von Institutionen sowie durch die Zusammenarbeit mit lokalen Gemeinschaften und Regierungen aus aller Welt zu etablieren.
Eines der wichtigsten Projekte von ANO folgt der Frage, welche Form ein Museum annehmen müsste, um in den jeweiligen Kontext aus Raum und Zeit und zu den gezeigten Kunstwerken zu passen. „Können wir unser Verständnis von Museum so herüberbringen, dass es auch die Idee eines Museums hier in Deutschland erweitert?“, fragt Ayim. In Ghana setzte ANO die Idee eines kontextabhängigen Museums in Form des Mobile Museum um: Es reist durch zahlreiche Regionen, bezieht sich dabei auf traditionelle Darstellungsformen und lädt die Menschen vor Ort zu Co-Kreation ein.
Die Ausstellungsarchitektur
Die Ausstellungsarchitektur im Dortmunder U nimmt direkten Bezug auf das Mobile Museum. Der Architekt DK Osseo-Asare entwickelte eine modulare Bambusstruktur innerhalb der Ausstellungsfläche. Er nennt sie Fufuzela. Sie beherbergt die Kunstwerke und verbindet sie miteinander. Dieses Museum wird also nicht durch Beton begrenzt, sondern besteht aus einem Netzwerk beweglicher Strukturen, in dem die Kunstwerke zu Hause sind. „Wer das Museum und die darin beherbergten Werke als Teil von sich selbst begreift, nicht als Raum mit eigenen Codes und Zwecken, entwickelt ganz andere Gefühle gegenüber den Werken“, meint Ayim.
Die ausgestellten Arbeiten
Die Arbeiten von Afroscope und Kwasi Darko arbeiten mit Bewegtbild und virtuellen Darstellungsformen und sind direkt in die Fufuzelas integriert. Ebenso wie Diego Araúja, der mit traditioneller ghanaischer Architektur und Musik arbeitet, beschäftigen sie sich mit der Frage, welche Narrative in einem Museum vermittelt werden. Sie dekonstruieren die scheinbar unverrückbaren Erzählungen von Evolution, Religion und kapitalistischem Wachstumszwang.
Die Arbeiten von Kuukua Eshun, Na Chainkua Reindorf und Rita Mawuena Benissan gehen einer ähnlichen Frage nach: Was wäre, wenn wir uns das Museum als Teil von uns vorstellten, als Verkörperung unserer pluralistischen Identitäten, die sich aus all den kulturellen Prägungen der Vergangenheit und Gegenwart zusammensetzen? Dabei setzen sich insbesondere Reindorf und Benissan in der Bezugnahme auf traditionelle Textil- und Handwerkskunst mit Geschlechterrollen und dem Verhältnis von Tradition und aktuellen Lebensrealitäten auseinander.
Studio Nyali plädiert für ein Museum als Heimstatt der Objekte, als Schutzraum, der sie auch vor kolonialer Zerstörung bewahrt hätte bzw. bewahren würde. Der international gefeierte El Anatsui gibt mit seiner Arbeit, die er für „EFIE. The Museum as Home“ neu geschaffen hat, den Staffelstab weiter an die junge Generation ghanaischer Künstler*innen.
Neben den zeitgenössischen Werken werden in der Ausstellung historische Artefakte zu sehen sein, die von Gemeinschaften aus dem Gebiet des heutigen Ghana stammen und sich in den Sammlungen deutscher Museen befinden, darunter: das Übersee-Museum in Bremen, das MARKK in Hamburg und das Rautenstrauch-Joest-Museum in Köln. Zusammen mit den zeitgenössischen Kunstwerken soll die Ausstellung für diese Objekte der Versuch eines Genesungsorts werden, an dem sie sich von ihrer Vereinsamung erholen, die durch das Herausreißen aus ihrem ursprünglichen Kontext entstand.
Filmprojektionen schaffen eine Vorstellung davon, wie ähnliche Objekte in Ghana traditionell gehütet und gebraucht werden. Die Präsentation von Nii Kwate Owoos Film „You Hide Me“, den er bereits 1970 im British Museum drehte, zeigt, wie viel Raubkunst sich nach wie vor in den Depots der europäischen Museen befindet. Die Forderung nach der Restitution der Objekte, welche er im Film stellt, ist heute ebenso so laut wie damals – zurückgegeben wurde in den 50 Jahren seitdem allerdings wenig.
Die besondere Präsentation der Werke ist deshalb einerseits Ausdruck der Rezeptionsgeschichte afrikanischer Kunst in Europa und des Willens, die Werke enger mit ihrer Herkunft und Umgebung zu verknüpfen. Die Ausstellung zeigt andererseits, wie nötig der völlig neue Blick ist, den Europa auf die Kunst des afrikanischen Kontinents werfen sollte.
Nana Oforiatta Ayim
Nana Oforiatta Ayim ist Kuratorin des gefeierten ghanaischen Pavillons auf der Biennale in Venedig 2019 sowie Gründerin und Direktorin des ANO Institute of Arts & Knowledge. Sie ist Vorstandsmitglied der Vereinigung der Museen und Kulturerbe-Stätten Ghanas. Ayim ist in Deutschland geboren und lebt heute in Ghana.
Tickets
7 Euro, ermäßigt 5 Euro. Kinder bis 6 Jahren frei
Öffnungszeiten
Di, Mi, Sa, So und an Feiertagen: 11 bis 18 Uhr
Do und Fr: 11 bis 20 Uhr
Öffentliche Führungen
sonntags, 14 bis 15 Uhr (kostenlos)
Zur Ausstellung bietet das Dortmunder U ein umfangreiches Rahmenprogramm an.
Das Rahmenprogramm wird gefördert durch die Staatskanzlei des Landes Nordrhein-Westfalen und entsteht in Kooperation mit der auslandgesellschaft.de e.V. und dem Honorarkonsulat der Republik Ghana für Nordrhein-Westfalen.
„EFIE. The Museum as Home“ ist eine Ausstellung von ANO Institute of Arts and Knowledge.
www.dortmunder-u.de
Presse
Kataloge/Medien zum Thema:
Diego Araúja
Galerie im Saalbau
GEDOK-Berlin e.V.
Haus am Kleistpark
Kommunale Galerie Berlin
Kommunale Galerie Berlin