Hat die Malerei eine Zukunft? Wie hat sich die Malerei in jüngster Zeit verändert? Welche zukunftsweisenden Positionen gibt es in Österreich zu entdecken? Die Ausstellung >die zukunft der malerei< wird anhand von 23 neuen künstlerischen Positionen Antworten auf diese Fragen geben. Zu sehen sind alle Spielarten der zeitgenössischen Malerei und Zeichnung, von figurativ bis abstrakt, von objekthaft bis raumgreifend, von klassisch bis experimentell.
Seit über 100 Jahren wird immer wieder das „Ende der Malerei“ ausgerufen. Gerade in jüngster Zeit wurden über Sinnhaftigkeit und Zukunft der Malerei kontroverse Diskussionen geführt. Vor diesem Hintergrund hat das Essl Museum im Frühjahr 2014 österreichische und in Österreich lebende Künstlerinnen und Künstler aufgerufen, sich mit ihren Werken für die Teilnahme an der Ausstellung >die zukunft der malerei< zu bewerben. Zur Einreichung zugelassen waren Malerei und auch Grafik. Aus den 756 Bewerbungen traf das Kuratorenteam des Essl Museums unter der Projektleitung von Günther Oberhollenzer eine Vorauswahl von knapp 50 Künstlerinnen und Künstlern, die in ihren Ateliers in ganz Österreich besucht wurden. Daraus wurden 23 künstlerische Positionen für die Ausstellung ausgewählt. Die Vielfalt und Qualität der Werke zeigen, dass Malerei und Grafik nach wie vor eine wesentliche Rolle in der zeitgenössischen Kunst spielen.
Ines Agostinelli arbeitet installativ, fotografisch und zeichnerisch. In der Ausstellung werden ihre außergewöhnlichen Zeichnungen zu sehen sein. Auf großformatigen, mit Acryl grundierten Leinwänden entstehen langgezogene, organisch anmutende Formen und Muster aus Graphit. Sie sind Ausdruck von intimen Empfindungen, von individuellen Erinnerungen, Gedanken und Geschichten, die für den Betrachter geheimnisvoll und undurchsichtig bleiben.
Alfredo Barsuglia lotet die Grenzen der Malerei aus und geht mit ihr in den Raum. In seinen Malereien und Installationen, die immer ortsspezifisch entstehen – so auch im Essl Museum –, betreibt er ein Verwirrspiel zwischen Schein und Sein, zwischen Illusion und Realität. Nie geht es nur um die bloße Präsentation eines einzelnen Werkes. Barsuglia ersinnt komplexe Geschichten, jedes Werk, jede Malerei wird zu einem unerlässlichen Teil innerhalb eines größeren Ganzen.
Der syrische Künstler Adel Dauood sieht sein malerisches und zeichnerisches Werk als eine persönliche Auseinandersetzung mit Krieg und Gewalt, mit Schmerz und Tod in seinem Heimatland, aus dem er flüchten musste. Dauood ist in seiner Bildsprache nie offensichtlich, nie plakativ oder eindeutig, sondern bleibt in der Schwebe, lässt figurative Elemente fließend in abstrakte übergehen. „Die Malerei ist für mich eine Art rebellische Reaktion auf Schmerz und Grausamkeit“, so der Künstler.
Cäcilia Falks Malereien sind von unmittelbarer Frische, reduziert und fast naiv. Sie bringt eine Malerei in die zeitgenössische Kunst ein, die sich mit ihrer humorvollen, unbekümmerten Sprache stark von dem unterscheidet, was hinlänglich im Kunstbetrieb zu sehen ist. Die Künstlerin hat sich eine intuitive Sprache bewahrt oder auch wiedergefunden, eine „unmittelbare, augenblickliche Malerei“, wie sie es nennt, und ihre sinnliche Lust an dieser Malerei ist jedem Blatt, jeder Leinwand anzumerken.
Die großformatigen Tuscharbeiten von Irina Georgieva erinnern in ihrer altmeisterlichen Chiaroscuro-Technik an bekannte kunsthistorische Vorbilder. Georgieva sucht in ihren Porträts aber keine repräsentative Pose, sie zeigt vielmehr gewöhnliche Menschen aus unserer Zeit. Daneben reflektiert die Künstlerin in rätselhaften Bilderfindungen sensibel und ideenreich das Kuratieren, Ausstellen und Betrachten von Kunst oder auch die Rolle des Kunstmarktes in unserer Gesellschaft.
Der Holzschnitt ist ein künstlerisches Medium, den man kaum mehr in der zeitgenössischen Kunst antrifft. Lena Göbel lässt erkennen, welch ungeheure Kraft in dieser traditionelle Technik nach wie vor verborgen sein kann. Göbel arbeitet im Handdruck und kaschiert die bedruckten Papiere auf Leinwand, um sie malerisch weiter zu bearbeiten. Besonders eindrucksvoll sind die lebensgroßen, roh behauenen Druckstöcke und Holzreliefs.
Klare Formen, Linien und Flächen bestimmen die Malerei von Suse Krawagna. Die Wahrnehmung von alltäglichen architektonischen Details dienen der Künstlerin oft als Ausgangspunkt: „Ich hebe diese Dinge aus dem dreidimensionalen Raum einer städtischen, also sozialen Realität heraus und überführe sie in einen neuen Verhandlungsraum, einen Möglichkeitsraum der Malerei, in dem sie ihrer ursprünglichen Funktion enthoben und neu interpretiert werden“. So entwickelt Krawagna ein Repertoire an reduzierten abstrakten Formen, die sich in Variation aufeinander beziehen können.
Eric Kressnig verfolgt in seiner Arbeit ein System von Ordnung, von klaren geometrischen Formen und minimalen Abweichungen. Der Künstler bedient sich eines genau definierten Farb- und Zeichenvokabulars, das er ständig neu variiert. Der Künstler bemalt dabei die Seiten der Leinwände, lässt die Malereien aufgrund ihrer Tiefe wie Objekte erscheinen. Er trägt die Farbflächen auch in den Raum und entwickelt aus einfachen Holzplatten Raumobjekte.
Das Betrachten von Isabella Langers Bildern erfordert Zeit und Konzentration. Ihre Bilder setzen auf eine Entschleunigung unseres Blickes, um über den Moment hinaus zu wirken. In Eitempera gemalt, sind die Werke aus unzähligen, feinen Farbschichten aufgebaut, die immer wieder weggewischt, übermalt und erneut aufgetragen werden. Wie aus einem Nebel erscheinen auf den beinahe weißen Leinwänden allmählich der Strand und das Meer, eine Mauer und eine Menschengruppe, um im nächsten Moment auch schon wieder zu verschwinden.
Matthias Lautners Menschen scheinen in sich ruhend, in Gedanken versunken, einem anderen Zeit- und Raumgefühl folgend. Fragil und in sich gekehrt treten sie nicht mit dem Betrachter in Kontakt. Manche befinden sich ganz nahe am Bildrand, andere verlieren sich fast in der Weite des malerischen Bildraumes. Kunstgeschichtliche Referenzen, insbesondere zur Zeit der Romantik, sind unverkennbar. Der Künstler erschafft atmosphärische Landschaftsräume, die von der Farbe und dem Malprozess bestimmt sind.
Larissa Leverenz malt und zeichnet, sie druckt und collagiert auf dünnen Holzplatten, die mit ihrer natürlichen Maserung den Bildhintergrund ausmachen. Manchmal schnitzt sie in die Platten oder erweitert diese zu installativen Arbeiten im Raum. Die Künstlerin ist Spielleiterin, doch es sind keine Geschichten, die sie zur Aufführung bringt, sondern Szenenbilder und Fragmente. Uns begegnen fliegende Menschen, unheimliche Wesen und seltsame Objekte, rätselhafte Mauerkonstruktionen und sonderbare Apparaturen.
Die Kunstwerke des Künstlerpaars marshall!yeti (Ferdinand ,Marshall‘ Karl und Gerald Y Plattner) sind kleine Polaroidfotos. Das Künstlerpaar ist der uneingeschränkte Protagonist: es inszeniert sich selbst vor wandelnden Hintergründen in immer gleicher Pose. Durch die Fotoübermalungen verleihen marshall!yeti den Polaroids eine zusätzliche Ebene. Sie malen und zeichnen spontan und doch durchdacht auf der fotografischen Vorlage, sie verstärken und betonen, übermalen und löschen Details.
Ein Badestrand an der Donau oder die Trabrennbahn an der Wiener Krieau: Leo Mayer schöpft die malerischen Motive aus seiner unmittelbaren Umgebung. Der Strand ist in warmes, flirrendes Sommerlicht gehüllt, die Donau leuchtet ultramarinblau. Für seine Malereien muss wohl das Wort „altmeisterlich“ strapaziert werden, die panoramaartig angelegten, bisweilen surreal anmutenden Motive, sind atmosphärisch und in dichten, leuchtkräftigen Farben gemalt, die sich manchmal verselbstständigen und zu einer abstrakten, aber doch sehr kalkulierten Geste werden.
Robert Muntean malt gegenständliche Erinnerungsbilder als abstrakt-atmosphärische Farbräume. Die Bilder scheinen einen Moment darzustellen, der das Davor und Danach mit einschließt und den Betrachter in Unsicherheit lässt, ob sich das Motiv gerade zusammensetzt oder in der Auflösung befindet. Menschliche Figuren verflüchtigen sich in einer überbordenden Malerei, Vorder- und Hintergrund erscheinen irrelevant, die Übergänge von Körper und Umraum sind fließend, die Konturen durchlässig.
In Regalreihen, die bis zur Decke reichen, schlichtet Peter Nachtigall in seinem Atelier unzählige Bilder wie Bücher. Ob abstrakt, figurativ, gestisch, grafisch oder monochrom, der Künstler versucht, alle Möglichkeiten der Malerei durchzudeklinieren und hat sich dafür die Form eines persönlichen Bildarchivs geschaffen. In der Ausstellung werden die einzelnen Bilder aus dem Archiv zu größeren Einheiten zusammengestellt – als ein dreidimensionales Objekt behandelt, werden sie Teil einer installativen Arbeit.
Alfons Pressnitz malt Naturlandschaften. Seine Natur ist allerdings keine verklärte Sehnsuchtslandschaft, keine unberührte Wildnis. Leuchtende Farben zeigen unberührte Natur, Müll und herumliegenden Unrat. Collageartig, aus mehreren Bildmotiven zusammengesetzt, bleiben Nahtstellen und Übergänge sichtbar. Die Versatzstücke sind fragmentarisch und bruchstückhaft. Eine romantische Idylle kommt nicht auf. „Durch die Landschaft kann man viel über den Menschen aussagen“, betont Pressnitz.
Vika Prokopaviciute ist abstrakte Malerin und ihr Werk zeichnet sich durch ein außergewöhnliches Gespür für Farbe, Form und Komposition aus. Die Bilder sind gegenstandslos, auch wenn es immer wieder Anklänge an figurative Formen gibt. Prokopaviciute gelingen dichte, farblich konzentrierte Akzente und zarte zeichnerische Elemente, gepaart mit feinen, beinahe monochromen Flächen. Verdichtung und Auflösung, Konzentration und große Leere wechseln sich ab.
Thomas Riess ist ein Sammler von Bildern. Zahllose Abbildungen aus Zeitschriften, Zeitungen und alten Büchern finden sich in seinem Fundus. Sie sind Arbeitsmaterial für neue Zeichnungen, Collagen und Malereien, um „den Realitätsbezug in Frage zu stellen“, wie er selbst betont. Im Grafischen findet die primäre Auseinandersetzung statt, wobei manche Motive und Ideen – wie etwa die „flying blurs“ – in großformatigen Malereien übernommen werden. Ein grandioser Kunstgriff gelingt Riss, indem er mit einem weißen Korrekturbandroller (Tipp-Ex) in eine schwarz grundierte Leinwand (maskierte) Gesichter und Körper einschreibt.
„Bilder aus dem ICH – Seelenfotos, nicht mehr und nicht weniger“, schreibt Bianca Maria Samer über ihre Arbeit – ausschließlich Selbstporträts, die uns ungeschminkt und ohne Filter, unmittelbar und schmerzhaft mit dem Leben und dem physischen wie psychischen Leiden eines Menschen konfrontieren. Die Direktheit von Samers Sprache, die völlige Distanzlosigkeit ihres malerischen Abbildes schockieren und irritieren. Samer ist Autodidaktin, mit Acryl malt sie erst seit einigen Jahren.
In den Zeichnungen von Patrick Roman Scherer ist alles bildwürdig: ein Sofa, ein Maschendrahtzaun, ein Strommast, eine Putzmaschine. Die meist kleinen Blätter lesen sich wie ein künstlerisches Skizzenbuch. Aufregend wird es, wenn der Künstler mit seinen Zeichnungen in den Raum geht, wenn aus einem großen Blatt Papier eine Picknickdecke wird, gedeckt mit Tellern, Gläsern und Kuchen voller abstrakter Strukturen und figurativer Geschichten.
Martin Veigls Malerei zeigt Alltagsszenen im städtischen Umfeld. Die Menschen erscheinen in ihrer außergewöhnlichen Farbigkeit wie mit Scheinwerfern beleuchtet, grell und nahe am Bildrand treten sie uns entgegen. Veigl gelingt es, sich rasch von seinen Vorlagen und Inspirationen zu lösen und zu eigenständigen malerischen Bildideen zu finden. Er lässt sich malerisch treiben, lässt die Grenzen zwischen Figuration und Abstraktion verschwimmen.
Auch die Zeichnungen von Victoria Vinogradova erinnern an ein künstlerisches Notizbuch: Das Bilderrepertoire ist außergewöhnlich wie mannigfaltig, manche Motive kehren wieder, werden in neue Beziehungen zueinander gestellt. Eine neue Zeichnung entwickle sich aus der vorhergehenden, betont die Künstlerin, die ihre Arbeit als immer fortlaufenden Prozess versteht. Die Blätter lassen in ihrer figurativen Bildersprache an den Sozialistischen Realismus denken, doch bleibt Vinogradova immer uneindeutig, geheimnisvoll und rätselhaft.
„Wenn ich vor der Leinwand stehe, muss alles möglich sein, da gibt es keine Grenzen, ich kann alles hoffen, wagen“, sagt Christiane Wratschko. Ihre malerische Formensprache hat etwas expressiv Gestisches, manchmal auch kontemplativ Ruhiges. Die Farbflächen erzeugen flirrende Licht- und Naturstimmungen, neben den abstrakten Bildern sind vor allem Tiere und Menschen, aber auch Anklänge an Landschaften zu entdecken. Abseits von gängigen malerischen Trends, ist die Künstlerin auf der Suche nach ihrer ganz eigenen Formensprache. Das macht ihre Arbeiten authentisch und echt.
ESSL MUSEUM
Kunst der Gegenwart
An der Donau-Au 1
3400 Klosterneuburg bei Wien
http://www.essl.museum/
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