Vincent van Gogh verkörpert den Mythos des jung verstorbenen und zu Lebzeiten verkannten Genies so beispielhaft wie kein anderer Künstler. Bis heute bieten die ungeklärten Todesumstände Anlass zu Spekulation, weshalb Leben und Werk des Malers sich zu einer diffusen Metapher verdichten, der sich niemand gänzlich entziehen kann. Zudem diente van Gogh als Blaupause für die Konstruktion des manisch schaffenden Genies im 20. Jahrhundert: Die ebenfalls vor ihrem 50. Geburtstag verstorbenen Künstler Jackson Pollock und Jean-Michel Basquiat avancierten zu männlichen Malerstars, deren früher Tod dem Kult um ihre Werke keinen Abbruch tat. Im Gegenteil: er steigerte ihn sogar enorm.
Die von Hendrik Bündge und Johan Holten kuratierte Ausstellung versammelt Kunstwerke von 33 jung verstorbenen KünstlerInnen. Die dabei gewählten Konstellationen und Gruppierungen zeigen eindrücklich, welche Strategien und Zufälligkeiten das Nachleben eines Werks bestimmen. Vincent van Goghs Gemälde „Rosen und Sonnenblumen“ bildet den Auftakt zu einer Achse der Malerheroen im großen Oberlichtsaal der Kunsthalle, gefolgt von Gemälden Jackson Pollocks und Jean-Michel Basquiats. Diese Werke symbolisieren die Kanonisierung dieser Künstler. Nach ihrem Tod stiegen die Preise für ihre Arbeiten bis zum heutigen Tag ins Unermessliche.
Für Malerinnen werden solche Preise nicht aufgerufen. Allein die 1970 mit 34 Jahren verstorbene Künstlerin Eva Hesse ist eine feste Größe auf dem Kunstmarkt. Zwar fanden in den letzten Jahren vermehrt institutionelle Ausstellungen statt mit Werken der auch in Baden-Baden vertretenen Francesca Woodman, Ana Mendieta oder Annette Wehrmann: In der öffentlichen Wahrnehmung und Anerkennung hinken
die Künstlerinnen deutlich hinterher. Auch männliche Künstler wie Absalon passen in diese Kategeorie, der scheinbar Werke geschaffen hat, die sich nicht nachträglich zur Spekulationsware eignen.
Wie sehr ein Kunstwerk – bisweilen zwangsläufig – vom Tode des Künstlers aus gesehen wird, zeigt sich in besonderer Weise bei dem Niederländer Bas Jan Ader. Die Versuchung, seine letzte Arbeit „In Search of the Miraculous“ als Vorahnung und Anzeichen eines nahen Todes zu interpretieren, ist übergroß. Eine Diaprojektion zeigt, wie der junge Künstler in einer Jolle vor Cape Cod, Massachusetts, zu einer performativen Überquerung des Atlantiks aufbricht. Die Fahrt fand ein verhängnisvolles Ende: Aders Boot tauchte Monate später vor der Küste Irlands auf, vom Künstler fehlt seitdem jede Spur. Wie würde man wohl diese Dias interpretieren, hätte Bas Jan Ader sein Ziel auf der anderen Seite des Atlantiks erreicht?
KünstlerInnen: Absalon (1964-1993), Bas Jan Ader (1942-1975), Jean-Michel Basquiat (1960-1988), Öyvind Fahlström (1928-1976), Vincent van Gogh (1853-1890), Felix González-Torres (1957-1996), Gerhard von Graevenitz (1934-1983), Keith Haring (1958-1990), Eva Hesse (1936-1970), Martin Kippenberger (1953-1997), Ketty La Rocca (1938 – 1976), Uwe Lausen (1941-1970), Mark Lombardi (1951-2000), August Macke (1887-1914), Michel Majerus (1967-2002), Ján Mančuška (1972 – 2011), Piero Manzoni (1933-1963), Gordon Matta-Clark (1943-1978), Ana Mendieta (1948-1985), Wilhelm Morgner (1891-1917), Hélio Oiticica (1937-1980), Blinky Palermo (1943-1977), Jackson Pollock (1912-1956), Jason Rhoades (1965-2006), Peter Roehr (1944-1968), Christoph Schlingensief (1960-2010), Rudolf Schwarzkogler (1940-1969), Robert Smithson (1938-1973), Dash Snow (1981-2009), Hermann Stenner (1891-1917), David Wojnarowicz (1954 – 1992), Francesca Woodman (1958-1981)
Staatliche Kunsthalle Baden-Baden
Lichtentaler Allee 8a
76530 Baden-Baden
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