Die großformatige Fotografie "Deutschland wird deutscher" (1992) von Katharina Sieverding und das Gemälde "Wohltätigkeitsbasar" (1927) der tschechischen Künstlerin Milada Marešová bereichern ab sofort die Sammlung des Kunstforums Ostdeutsche Galerie. Beide Werke erwarb das Deutsche Historische Museum Berlin und stellt sie dem Regensburger Museum als Dauerleihgabe zur Verfügung. Der Ankauf wurde durch Sondermittel des Deutschen Bundestages und die Unterstützung der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien ermöglicht. Die Arbeit von Milada Marešová ist in der neu konzipierten Schausammlung zu sehen, für die sie bereits im Herbst 2017 als Leihgabe aus tschechischem Privatbesitz gewonnen werden konnte. Katharina Sieverdings Fotoarbeit, die die Künstlerin schon einmal zeitweise dem Kunstforum Ostdeutsche Galerie als Leihgabe zur Verfügung gestellt hatte, können die Besucherinnen und Besucher am 13. September um 19 Uhr bei einer Spezialführung mit Dr. Agnes Tieze, Direktorin des Kunstforums Ostdeutsche Galerie, sehen.
Die beiden Neuerwerbungen für das Kunstforum Ostdeutsche Galerie führen die Spannbreite seiner thematisch profilierten Sammlung vor Augen. Im Fokus steht Kunst mit historischen, biografischen und inhaltlichen Zusammenhängen zu den ehemals deutsch geprägten Gebieten im östlichen Europa. Der "Wohltätigkeitsbasar" von Milada Marešová repräsentiert eine spezifische Parallele in der Tschechoslowakei der 1920er Jahre zur deutschen Strömung der Neuen Sachlichkeit. In Deutschland wurde diese herausragende tschechische Künstlerin der Zwischenkriegszeit erstmals 2015 im Rahmen der Ausstellung "Messerscharf und detailverliebt. Werke der Neuen Sachlichkeit" im Kunstforum Ostdeutsche Galerie vorgestellt.
Im Herbst 2017 konnte Marešovás "Wohltätigkeitsbasar" zunächst noch zeitlich befristet für die neu konzipierte Dauerausstellung ausgeliehen werden. Hier fügt sich das Gemälde in jenen Raum ein, der der Neuen Sachlichkeit im Osten der Weimarer Republik und über deren Grenzen hinaus gewidmet ist, und tritt in den Dialog mit Werken von Otto Dix, Paul Kleinschmidt, Erich Drechsler u.a. Die mehrfigurige Szene zeigt die gehobene Gesellschaft der so genannten Goldenen Zwanziger bei einem Wohltätigkeitsball, wie ihn die Künstlerin selbst in Paris erlebt hat. Mit feiner Detailgenauigkeit und subtiler Ironie erfasst sie die extravagant gekleideten, mitunter gelangweilt blickenden Damen und Herren, denen es insgesamt weniger um den karitativen Zweck als um das Sehen und Gesehen werden geht. Stilistisch und motivisch sind Einflüsse von Otto Dix offensichtlich, dennoch entwickelte Marešová eine individuelle und unverwechselbare Handschrift. Durch den Erwerb des Gemäldes durch das DHM und dessen Überlassung als Dauerleihgabe ist das Kunstforum Ostdeutsche Galerie aktuell das einzige Museum deutschlandweit, in dem die Künstlerin dauerhaft vertreten ist.
Mit Katharina Sieverdings "Deutschland wird deutscher" kehrt ein Werk in das Kunstforum Ostdeutsche Galerie zurück, das zeitweise bereits Teil der vormaligen Dauerausstellung war. Die ebenfalls in Prag geborene Künstlerin, die 1996 als erste Frau mit dem Lovis-Corinth-Preis ausgezeichnet wurde, reagierte in dieser Arbeit auf rechtsradikale Vorfälle nach dem Mauerfall von 1989. Der Schriftzug "Deutschland wird deutscher" stammt aus einem Bericht über diese rassistischen Ausschreitungen. Jenes Motto machte Sieverding 1993 zum Aufhänger einer großflächigen Plakataktion in Berlin, die sie mit Unterstützung von Klaus Biesenbach (heute Direktor des MoMA PS1 und Chief Curator at Large am MoMA, New York), der Museen in Berlin und der Hochschule für Bildende Kunst, wo sie lehrte, durchführte. Im Vordergrund stand dabei das Hinterfragen der neuen Identitätsfindung einer (wiedervereinten) Nation. Wie in vielen ihrer Arbeiten wählte Sieverding ihr eigenes Porträt als Motiv - in diesem Fall eine Fotografie, die der Künstler Klaus Mettig 1974 bei einer Messerwurfperformance von ihr angefertigt hat.
Die Frage nach den Umbrüchen in der Geschichte Deutschlands gehört zu den zentralen Themen im Stiftungsauftrag des Kunstforums Ostdeutsche Galerie, zumal Sieverdings Arbeit sich auch auf Flucht und Vertreibung nach dem Zweiten Weltkrieg und heute beziehen lässt.
Kurzbiografie: Milada Marešová
Milada Marešová (Prag 1901-1987 Prag) gehörte zu den ersten Frauen, die an der Prager Akademie der Bildenden Künste zum Kunststudium zugelassen wurden. 1922 schloss sie sich einer Deutschlandexkursion an - in Dresden und Berlin sah sie unter anderem Werke der deutschen Avantgarde, darunter Max Beckmann, Otto Dix, George Grosz und Käthe Kollwitz. Ein Stipendium ermöglichte ihr einen Aufenthalt in Paris, wo sie Vorträge von František Kupka besuchte. In Auseinandersetzung mit Otto Dix und der Neuen Sachlichkeit sowie mit Einflüssen ihres Parisaufenthaltes entwickelte sie eine eigenständige Position. Als freie Künstlerin beschäftigte sie sich mit der zeitgenössischen Frau und deren Rolle in der Gesellschaft sowie mit sozialen Themen. Wegen ihres Engagements in der Zeitschrift "V boj", die gegen die NS-Herrschaft in der Tschechoslowakei auftrat, wurde sie 1940 von der Gestapo verhaftet und 1942 zu zwölf Jahren Haft im Zuchthaus Waldheim in Sachsen verurteilt. Nach Kriegsende wurde sie entlassen und wirkte vor allem als Kinderbuchillustratorin. Anfang der 1960er Jahre kehrte sie zur Malerei zurück.
Kurzbiografie: Katharina Sieverding
Katharina Sieverding wurde 1944 in Prag geboren. Sie studierte an der Hochschule für Bildende Künste in Hamburg und an der Staatlichen Kunstakademie Düsseldorf, wo sie 1967 bis 1971 Schülerin von Joseph Beuys war. Nach dem Studium folgten diverse Studienaufenthalte in den USA, in China und in der Sowjetunion. Neben der Professur an der Hochschule für Bildende Kunst in Berlin 1992 bis 2010 hatte Sieverding auch weitere Lehraufträge und Gastprofessuren an deutschen und internationalen Universitäten und Akademien inne. Sieverding wurde vielfach mit Preisen ausgezeichnet. Sie entwickelte einen neuen und einzigartigen Zugang zur Fotografie, nicht zuletzt indem sie als erste Künstlerin das Großformat für die Fotografie eingeführt hat. In ihren Arbeiten setzt sie immer wieder ihr Selbstporträt ein, hinterfragt aber globale politische und gesellschaftliche Zusammenhänge, die auf die jeweiligen Umstände der Entstehungszeit Bezug nehmen, aber stets hochaktuell bleiben.
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