Unter dem Titel »Museum Matters« konzentriert sich die Reihe der Videobox auf Arbeiten von jüngeren und etablierten Künstlern und Filmemachern, die das Museum zu ihrem Gegenstand machen. Dokumentarisch, experimentell, essayistisch oder narrativ nehmen sie Museen, ihre Ansätze, Präsentationen und Formen der Vermittlung in den Blick, um Bedingungen von Sammlungen sichtbar zu machen und alternative Archive herauszufordern.
Ist das Museum ein kollektiver Speicher von Wissen oder Plattform für Experimente? White Cube oder Werkstatt? Architekturikone oder interaktiver Ort der Kommunikation?
Lange schon gibt es verschiedene Vorstellungen, Theorien und Utopien über das Museum. Immer wieder hat sich diese Institution in ihrer Geschichte geändert. Nicht zuletzt Künstler setzen sich stetig mit diesem öffentlichen Ort von Bildern und Bilderfahrungen auseinander, der zwischen Gegensätzen wie Geschichte und Zukunft, Konjunktur und Krise pendelt. Einerseits waren Museen traditionell Ausbildungsinstrumente und mitunter Ateliers für sie. Andererseits haben Künstler in ihrer Kunst wie in ihren Manifesten Museen beharrlich attackiert, ihre scheinbare Neutralität und Objektivität kritisch thematisiert und ihre Gesten des Zeigens etwa aus feministischer, antirassistischer und antikolonialer Perspektive hinterfragt.
Die Reihe geht nach Andrea Fraser, Marcel Odenbach, Karsten Krause und Emma Wolukau-Wanambwa weiter mit Jem Cohen »Museum Hours« (2012).
Für Johann ist das Kunsthistorische Museum Wien seine Arbeitsstätte. Für Anne ist es ein Zufluchtsort. Dort begegnen sich der Museumswärter und die Besucherin aus Montreal. Sie ist wegen ihrer Cousine in Wien, die im Koma liegt. Ohne Geld und Stadtkenntnis sucht Anne Ausgleich im Museum, lässt sich durch die Säle mit Werken von Bruegel und Cranach treiben, taucht ein in Geschichten von Kreuzigung, Sündenfall und nackten Frauen in sakraler Gestalt. Zaghaft beginnen die beiden ein Gespräch, lernen sich kennen, erkunden bald gemeinsam die Kunst und dann auch Unbekanntes in ihren eigenen Leben und in Wien.
Doch ist diese Handlung nur loser Vorwand für Jem Cohens Nicht-Liebesfilm »Museum Hours«, in dem das Museum Dreh- und Angelpunkt ist. Von hier aus flanieren die Protagonisten in die Stadt – auf den Naschmarkt oder in Lokale, in die man nur als Wiener Zutritt findet – und kehren immer wieder ins Museum zurück. Ganze zehn berückende Minuten etwa verharrt der Film bei einer Museumsführung. Für Cohen ist die Kunst weniger Mittler als Prisma für Johanns und Annes Themen wie Tod, Sex, Geschichte, Theologie und Materialismus und wie diese in ihren Leben greifbar werden. Dabei faszinieren Cohen insbesondere Bruegels Welt-Landschaften, die seinen eigenen dokumentarisch erscheinenden Straßenaufnahmen nahe sind.
Im stetig vorantreibenden Fluss ruhiger Szenen vermischen sich – in für Cohen typischer Arbeitsweise – Fiktion, Dokumentation und Essay. Immer wieder fließt Wirklichkeit in seinen Film ein, etwa in Form übernommener Umstände aus den Arbeitsbiografien seiner Laienhauptdarsteller. Ebenso inszeniert der Zufall mit. Die Wände des Museums, die es von der Straße und dem Leben draußen trennen, sind dick. Cohen aber gelingt es mit »Museum Hours«, sie poröser zu machen.
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