Vor 100 Jahren wurde in Weimar das Bauhaus gegründet. Die Entwicklung der Avantgarde-Schule ging, wie die Entwicklung der Moderne insgesamt, mit vielen Veränderungen an unterschiedlichen Orten einher. Kartiert man das Bauhaus und sein globales Netzwerk, so gehört Stuttgart zu den Städten, die für viele Bauhäuslerinnen und Bauhäusler mitprägend waren und im Gegenzug von ihnen beeinflusst wurden. Viele mit dem Bauhaus und der Moderne verbundene Künstlerinnen und Künstler haben in Stuttgart gelebt, gearbeitet und Spuren hinterlassen. In den 1920er-Jahren erfuhr die Stadt große kulturelle und politische Umbrüche und wurde unter dem maßgeblichen Einfluss des Neuen Bauens und Neuen Sehens zum "Labor der Moderne".
Vor diesem Hintergrund hat die Staatsgalerie Stuttgart als Ort der aktiven Produktion von Wissen Dani Gal, Michaela Melián, Martin Schmidl und Boris Sieverts eingeladen, ortsspezifisch konkret und darin exemplarisch Personen, Ideen sowie Wirkungs- und Rezeptionsstränge des Bauhauses und der Moderne in und von Stuttgart aus zu untersuchen. Wie können wir die Ambitionen des Bauhauses und den Universalismus der Moderne weiterdenken und berechtigte Kritik daran produktiv machen?
Dani Gal zeigt zwei Videoarbeiten, darunter die Neuproduktion "Fields of Neutrality (The Last Interview with Ludwig Mies van der Rohe)", in welcher der Künstler weniger auf eine Neubestimmung eines ohnehin schon erforschten Architektenlebens als auf eine retrospektive Öffnung von Geschichte hin auf unsere Gegenwart und Zukunft zielt: Das Bauhaus bestand in einer Zeit, die in ihrer Krisenhaftigkeit Parallelen zur heutigen Situation aufweist. Die Kunst steht vor der Herausforderung, den Angriffen auf ihre Autonomie nicht "neutral" zu begegnen.
Michaela Melián produziert für "Weissenhof City" zwei neue Installationen, in denen sie sich mit den radikalen Konzepten der Moderne und mit deren Rezeption auseinandersetzt. Unter dem Schlagwort der Rationalisierung wurde im Neuen Bauen die kubische Form und die zweckmäßige Grundrissgestaltung propagiert. Das Resultat war häufig Formalismus und das Weiterschreiben traditioneller Geschlechterrollen in Form der Raumaufteilung. Darauf reagiert Melián mit einer künstlerischen Praxis, in der die Collage von Formen, Inhalten und Medien im Zentrum steht.
Martin Schmidls wesentliches Medium ist die Zeichnung. Seine Arbeit weist Parallelen mit der Schrift-Bild-Praxis von Adolf Hölzel auf, einem wichtigen Wegbereiter der Moderne, der an der Stuttgarter Kunstakademie Lehrer von Oskar Schlemmer und Johannes Itten war. Ausgehend von dem offenem Denken Hölzels, unternimmt Schmidl in einer zentralen Installation eine künstlerische Relektüre von dessen Überlegungen zu Kunst und Lehre im Hinblick auf ihre aktuelle Relevanz.
Boris Sieverts bietet seit mehr als zwanzig Jahren "Reisen" an: Touren, die an Orte führen, die als Ziele sonst oft nicht in Betracht kommen oder unter anderen Perspektiven als bei herkömmlichen Stadtführungen erkundet werden. In der eintägigen Reise durch Stuttgart, die Sieverts für "Weissenhof City" entwickelt, geht es weniger um die Ikonen der Moderne als um jene Orte, an denen die Versprechen, aber auch die Widersprüche und das Scheitern der Moderne (noch) heute spürbar sind.
Die Ausstellung "Weissenhof City" wird von einem vielfältigen Programm begleitet, in dem das gemeinsame Nachdenken im Zentrum steht. Integraler Bestandteil von Martin Schmidls Installation ist die Gesprächsreihe "How to Hölzel", die in Schmidls Raum in der Ausstellung sowie in der Adolf Hölzel-Stiftung in Stuttgart-Degerloch, im Hotel Silber und am Österreichischen Platz unter der Paulinenbrücke stattfindet, wo der gemeinnützige Verein "Stadtlücken" einen Ort für interdisziplinäre Begegnungen geschaffen hat.
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