Cordula Ditz präsentiert im Kunsthaus Hamburg erstmals ihre neue Arbeit They Speak to Us in Dreams. Die mit KI-Bildgeneratoren produzierte Video- und Soundinstallation beschäftigt sich mit der Unsichtbarkeit von Frauen in der Kunstgeschichte.
In ihren Arbeiten untersucht Cordula Ditz, wie unsere Vorstellungen von Geschlechterrollen und Identität insbesondere durch die Medien geprägt, reproduziert und verfestigt werden. Dabei nutzt sie gefundenes Material aus dem Internet sowie aus Büchern, Magazinen und Filmen, das sie in Form von Collagen bzw. Montagen in ihre Malereien und Videos integriert. Sie schafft Bildwelten, die ihre eigene Konstruiertheit offen zur Schau stellen, um so die mediale Produktion und Repräsentation von Normen zu reflektieren.
In den letzten Jahren forschte die Künstlerin zu einem lang vernachlässigten Thema: Frauen, die in den vergangenen Jahrhunderten eine künstlerische Karriere einschlugen, aber in der Kunstgeschichte bis heute wenig Beachtung finden. Bereits 1550 veröffentlichte der florentinische Kunsthistoriker Giorgio Vasari The Lives of the Artists – die erste Publikation, die Biografien von Künstler*innen dokumentierte. Neben hunderten von männlichen Künstlern erwähnte er lediglich vier Künstlerinnen. Vierhundert Jahre später enthielt E. H. Gombrichs Standardwerk The Story Of Art keine einzige Angabe zu einer Frau. Selbst in der 16. Auflage aus dem Jahr 1995 wird nur eine Künstlerin erwähnt.
Die überwiegende Mehrheit der erhaltenen historischen Quellen wurde von Männern über Männer geschrieben. Nicht-cis-männliche Personen besetzen faktisch nur einen marginalen Teil der überlieferten Geschichte. Ihre Verdienste wurden weltweit teils systematisch unterschlagen. Dieses Phänomen setzt sich im digitalen Zeitalter fort. Beispielsweise befassten sich 2023 laut internen Statistiken noch immer nur 18 Prozent der englischsprachigen Artikel auf Wikipedia mit Biografien von Frauen und nur ca. 20 Prozent aller Beiträge wurden von Autorinnen verfasst.
Basierend auf ihren Recherchen sowie wissenschaftlichen Erkenntnissen der Erinnerungsforschung entwickelte Cordula Ditz die 30-minütige Video- und Soundinstallation They Speak to Us in Dreams, die im Kunsthaus Hamburg erstmals zu sehen sein wird. Mit verschiedenen KI-basierten Bildgeneratoren produzierte sie eine märchenhaft-surrealistische Animation über die Unsichtbarkeit von Frauen in der Kunstgeschichte. Dabei nutzt sie die fehlerhafte Natur der künstlichen Intelligenz als Darstellungsform für vergessene Erinnerungen, die aufgrund des Machtgefälles zwischen den Geschlechtern zur Auslöschung weiblicher Künstlerinnen aus unserem kollektiven Gedächtnis geführt haben.
They Speak to Us in Dreams erzählt eine kunsthistorische Heldinnengeschichte: Zu Beginn des Films gehen Malerinnen unterschiedlicher Epochen ihrer Berufung nach. Doch die Geschichtsschreibung ihrer männlichen Kollegen lässt sie nach und nach im Sumpf des Vergessens verschwinden. Erst die engagierte Aufarbeitung der Geschichte durch junge Kunsthistorikerinnen öffnet schließlich ein Portal, durch das die Künstlerinnen befreit werden, um für immer ins kollektive Gedächtnis einzugehen. Für ihre animierten Protagonistinnen zieht Cordula Ditz zahlreiche historische Vorbilder wie Georgiana Houghton (1814-1884), Hilma af Klint (1862-1944) oder Rachel Ruysch (1664-1750) heran: Erstere entwickelte schon um 1865 eine eigene, abstrakte Bildsprache – über 40 Jahre bevor Kandinsky als Erfinder der Abstraktion berühmt werden sollte. Auch Hilma af Klint brachte eine eigene abstrakte Position hervor, ebenfalls Jahre vor Kandinsky. Beide fanden jedoch zu ihren Lebzeiten wenig Anerkennung. Im Gegensatz dazu war Rachel Ruysch ihrerzeit international erfolgreich. Ihre Gemälde erzielten fast doppelt so hohe Preise wie die Rembrandts und ihre Werke befinden sich bis heute in den Sammlungen großer Museen. In den meisten Kunstgeschichtsbüchern aber wird sie nicht einmal erwähnt.
Die raumgreifende Installation im Kunsthaus Hamburg macht diese in Vergessenheit geratenen Biografien erlebbar. In der Ausstellungshalle wird eine geisterhafte Atmosphäre kreiert: eine großformatige Videoprojektion, von der Decke hängendes, flackerndes Licht. Aus den Ecken des Raumes hört man leises Flüstern; es sind Frauenstimmen, die Namen vergessener Künstlerinnen aus verschiedenen Jahrhunderten wispern.
Im Rahmen der Präsentation findet am 9. November eine Schreibwerkstatt mit vorherigem Vortrag der Journalistin und Mitgründerin des MISSY Magazines Sonja Eismann statt. Teilnehmer*innen sind dazu eingeladen, dem Content-Gender-Gap in digitalen Enzyklopädien aktiv zu begegnen und selbst Wikipedia-Einträge zu nicht-cis-männlichen Künstler*innen, die in Hamburg aktiv sind oder waren, zu verfassen.
Kunsthaus Hamburg
Klosterwall 15, 20095 Hamburg
www.kunsthaushamburg.de.
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