Um selbstbestimmte Künstler:innen geht es ab dem 20. März 2022 in der Kunsthalle St. Annen: Die Sonderschau „Female View. Modefotografinnen von der Moderne bis zum Digitalen Zeitalter“ rückt die oft vernachlässigten Werke von Modefotografinnen in den Fokus. In ihrer letzten eigens für Lübeck kuratierten Ausstellung legt Museumsleiterin Dr. Antje-Britt Mählmann den Fokus auf Fotografinnen von Frauen und Mode, während sich bisherige museale Modefotografie-Ausstellungen vor allem auf den weiblichen Körper aus männlicher Perspektive konzentriert haben. Dabei gab es seit den 1920er Jahren zahlreiche talentierte Modefotografinnen, die zuvor oft selbst vor der Kamera gestanden hatten und für einflussreiche Magazine wie Harpers Bazaar und Vogue wegweisend waren. Auch heute prägen einflussreiche Modefotografinnen das internationale Modegeschehen und dessen Bildästhetik. Gibt es ihn wirklich, den Female View? Die Besucher:innen der Kunsthalle St. Annen haben bis 3. Juli die Möglichkeit, sich davon selbst im wahrsten Sinne des Wortes ein Bild zu machen.
Insgesamt sind etwa 150 Fotografien sowie Fashion Videos von 21 Künstlerinnen zu sehen. Die Liste der in der Ausstellung vertretenen Fotografinnen liest sich wie das „Who‘s Who“ internationaler Fotokünstlerinnen und zeigt herausragende Werke von Deborah Turbeville, der jüdisch-deutschen Fotografin Yva (eigentlich Else Ernestine Neuländer-Simon, sie wurde 1942 im Vernichtungslager Sobibor ermordet), Lee Miller, Regina Relang, Louise Dahl-Wolfe, Sibylle Bergemann (eine der erfolgreichsten Fotografinnen der DDR), Lillian Bassman, Madame D´Ora, GABO, Ingeborg Hoppe, Nadine Ijewere, Liv Liberg, Ute Mahler, Charlotte March, Sarah Moon, Amber Pinkerton, Bettina Rheims, Charlotte Rohrbach, Alice Springs und Ellen von Unwerth. Zudem wird der Film Diana Vreeland – The Eye Has to Travel von Lisa Immordino-Vreeland auf einem Bildschirm in den Ausstellungsräumen gezeigt.
Anhand dieser Werke sollen Gemeinsamkeiten des „weiblichen Blicks“ herausgearbeitet und der Frage nachgegangen werden, wie die künstlerische Arbeit der Fotografinnen mit ihrem Einsatz bestimmter Technik und Methoden andere Künstler:innen inspiriert hat. Gleichzeitig lässt sich daran der gesellschaftliche und politische Wandel nachzeichnen, der sich anhand der Körperbilder und Mode der verschiedenen Jahrzehnte vollzogen hat.
Selbstverständlich soll die Vielfalt der heute globalen Gesellschaft reflektiert werden. Selbstbewusste Identitätsentwürfe von u.a. BIPoC, queeren und feministischen Fotografinnen und Influencerinnen werden ebenso Teil der Ausstellung sein wie die heutige Selbstinszenierung junger Frauen unter dem Einfluss der Sozialen Medien. Daher wird die Schau auch über die „analoge“ Wahrnehmung in der Kunsthalle hinaus auf digitalen Plattformen präsent sein und die Besucher:innen an Fragen der Modeproduktionen sowie der Welt von Influencer:innen und Stylist:innen teilhaben lassen. Zu diesem Zweck gibt es eigens einen Ausstellungsraum zum Thema „Influencerinnen, Selfies und Selbstbild“, wo nicht nur Selfies verschiedener Influencerinnen - gemeinsam mit Künstlerinnenselbstporträts aus der Schenkung Rüxleben - zu sehen sind. Es ist dort auch ein großer Spiegel angebracht, in dem man den eigenen Style als Selfie festhalten und bei Interesse auf Instagram posten und unter einem Hashtag verlinken kann.
Zudem beleuchten Filmscreenings mit Hollywood-Spielfilmen und Dokumentarfilmen zu verschiedenen Modeschöpfer:innen und Redakteur:innen wie Coco Chanel oder Diana Vreeland sowie Dokumentationen zu Themen rund um Mode, Menschenrechte, Produktion und Nachhaltigkeit die Hintergründe der Modeindustrie.
„Mit dieser Ausstellung präsentiert sich die Kunsthalle erneut als ein Ort, an dem Vielfalt und Verborgenes in den Fokus genommen werden.“, so Monika Frank, Senatorin für Kultur und Bildung der Hansestadt Lübeck. „Wahrnehmung und Anerkennung des ‚Anderen‘ sind Voraussetzungen für Gleichberechtigung und eine Gesellschaft, die offen für ihre eigenen zahlreichen Perspektiven ist.“ Prof. Dr. Hans Wißkirchen, Leitender Direktor der LÜBECKER MUSEEN, ergänzt: „Diese Schau beweist einmal mehr, dass die Lübecker Museumslandschaft und vor allem die Kunsthalle St. Annen stets am Puls der Zeit sind und auch eine Vorreiterrolle in der Gesellschaft in punkto Offenheit, Gender-Debatten, Diversität und Chancengleichheit übernehmen. Dafür hat Antje-Britt Mählmann als Kuratorin der Ausstellung und Leiterin der Kunsthalle St. Annen in den letzten Jahren gestanden und die Entwicklung ihres Hauses in diesem Sinne nach vorne getrieben.“
Mählmann selbst freut sich, dass die meisten der ausgestellten Fotografinnen mit Normen weiblicher Tätigkeit und Selbstdarstellung brechen konnten: „Viele von ihnen bringen Gender-Klischees spielerisch zum Einsatz, stellen sie auf den Kopf oder finden neue überraschende Wege, sie zu hinterfragen oder zu umgehen. Dies ist der rote Faden, der die ausgestellten Werke von den 1930er Jahren bis hin zu den Darstellungen im heutigen, digitalen Zeitalter verbindet – so unterschiedlich die Fotografien durch den Einfluss des jeweils aktuellen politischen Geschehens und den Trends der Zeit auf den ersten Blick auch scheinen mögen.“
Kunsthalle St. Annen
https://kunsthalle-st-annen.de/
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