Die in München lebende Künstlerin Gülbin Ünlü hat eine hybride Technik entwickelt, die Malerei und Druckverfahren miteinander verbindet.
Diese ermöglicht ihr ein flexibles Arbeiten auf unterschiedlichen Bildträgern und eröffnet installative, skulpturale und performative Möglichkeiten – ein Ansatz, der sich mit ihrer Methode des kulturellen Samplings verbindet.
Ünlüs Arbeitsweise folgt dem Prinzip des Mash-ups – einer aus der Musikproduktion stammenden Technik, bei der verschiedene Quellen zu neuen Kompositionen verwoben werden.
Diese Herangehensweise durchzieht ihr gesamtes Schaffen, das sich über Malerei, Video, Performance und ihre eigenen Musikprojekte erstreckt.
Material aus privaten und öffentlichen Archiven wird dabei in einem fortlaufenden Prozess neu collagiert.
Persönliche Erinnerungen, Fotos aus Familienarchiven, in denen sich die Sedimente einer postmigrantischen Biografie ablagern, werden mit Bildern aus kollektiven Gedächtnissen und digitalen Datenströmen verflochten.
Durch die Überlagerungen entstehen Bildgefüge, in denen die Grenzen zwischen individuellem und kulturellem Gedächtnis verschwimmen.
Zwischen diffusen, kaum mehr lesbaren Erinnerungsschichten setzen sich scharf konturierte Motive ab – Ünlü arbeitet mit diesen Fragmenten, entwickelt die fehlenden Elemente weiter und erkundet die Zwischenräume des Nicht-Interpretierbaren.
In der Ausstellung "Fragmentornament" arbeitet Gülbin Ünlü mit ornamentalen Strukturen historischer Teppiche – Objekte, die selbst Träger jahrhundertelanger kultureller Einschreibungen sind.
Diese Muster fließen in ihre Arbeit ein und werfen Fragen nach Lesbarkeit und Zugänglichkeit auf: Wer kann diese kulturellen Zeichen deuten?
Diese Arbeitsweise erinnert an die jahrhundertealte Praxis des Ornaments selbst: Wie in den historischen Teppichmustern, mit denen Ünlü arbeitet, entstehen auch in ihrer Kunst Bedeutungsschichten durch Wiederholung, Variation und kulturelle Wanderung.
Das Ornament war nie bloße Dekoration, sondern immer schon ein System des kulturellen Gedächtnisses – ein visueller Code, der Wissen, Spiritualität und Identität über Generationen und Grenzen hinweg transportiert.
In der Ausstellung "Fragmentornament" fließen Muster von den Wänden dem Boden zu und münden in einer großen Bodenarbeit aus modularen, steckbaren Elementen.
Ihre hybride Technik erweitert sich hier vom Bildträger in den Raum hinein – jedes puzzleartige Segment trägt Schichten ihrer Mal-Druck-Technik in sich und lässt sich neu anordnen.
Das Zusammenstecken wird zur materiellen Metapher für das, was sie inhaltlich macht: Erinnerungsfragmente immer wieder neu konfigurieren.
Hier verdichten sich Gülbin Ünlü Untersuchungen über Erinnerung, Zugehörigkeit und die Möglichkeiten künstlerischer Neuverhandlung kultureller Archive.
Eine Videoinstallation ergänzt die Präsentation und überführt die Auseinandersetzung ins bewegte Bild.
20.09.2025 - 02.11.2025
Kunstverein Wilhelmshöhe e.v., Ettlingen
https://www.kunstverein-wilhelmshoehe.de/