Die Galeristin Ingvild Goetz hat sich 1993 mit ihrem Privatmuseum einen Traum erfüllt. Auf dem parkähnlichen Grundstück der Sammlerin in einem Münchener Vorort haben die für ihre Museumsbauten international renommierten Architekten Herzog & de Meuron eine beeindruckende Ausstellungslandschaft geschaffen, die schon mehrfach in der Fachliteratur Erwähnung fand. Eine schlichte, zurückhaltende Architektur, die der Kunst den Vortritt lässt, mit insgesamt 370 Quadratmetern Schaufläche.
Mit der Sammlung Goetz soll eine weitere Privatsammlung vorgestellt werden und die Arbeit einer Frau gewürdigt werden, die ihr Leben der Kunst verschrieben hat und deren Sammlung zu den prominentesten Deutschlands zählt.
Silke Lemmes: Frau Goetz, nach Ihrem Abitur haben Sie ein Praktikum gemacht, sind durch die Urwälder von Neuguinea, Indien und Brasilien gereist und haben später Politische Wissenschaften studiert und geheiratet. Sie haben dann in Konstanz einen Verlag für grafische Editionen gegründet. Wie haben Sie den Zugang zur Kunst gefunden?
Ingvild Goetz: Dieser Zugang kam von ganz persönlichen Interessen: als junges Mädchen habe ich selber sehr gerne gemalt.
S.L.: Ihr Verlag lief gut, aber Sie wollten mehr – eine Galerie in Zürich. Ihr Besuch in New York 1969, als Sie die ersten Einkäufe dafür tätigen wollten, soll kurios gelaufen sein?!
I.G.: Atelierbesuche bei New Yorker Künstlern waren damals manchmal nicht einfach. Die Viertel, in denen sie ihre Ateliers hatten, waren zum Teil abenteuerlich. Manche Gegenden waren so gefährlich, daß sich Taxifahrer weigerten, mich dorthin zu fahren. Man mußte immer einige Dollars in bar mit sich führen, um sich Räuber vom Halse zu halten. Ein Kunsthändler wurde zu der Zeit ermordet. Der Kontakt mit den New Yorker Künstlern war manchmal nicht einfach.
S.L.: Ein Jahr später eröffneten Sie Ihre erste Galerie Art In Progress in Zürich. Aber auch da war aller Anfang schwer. Wie waren Ihre Erfahrungen in den ersten Jahren?
I.G.: Für die Schweizer Öffentlichkeit waren einige der Künstler, die ich vertrat, äußerst provokativ. Cy Twomblys Zeichnungen wurden in der Schweizer Presse als Klokritzeleien verrissen. Und nach einer Wolf Vostell Aktion, die man als anstößig empfand, wurde mir gar die Arbeitsgenehmigung entzogen. So ging ich meiner Tätigkeit noch eine Weile "illegal" nach. Ich stellte dort u.a. Bruce Nauman, Christo, Brice Marden, Malcolm Morley und Mel Bochner aus. 1973 verließ ich schließlich Zürich.
S.L.: 1973 sind Sie dann mit Ihrer Galerie nach München gezogen, nach gut 15 Jahren haben Sie sie geschlossen und sind Sammlerin geworden – das scheint doch paradox! Wie kamen Sie dazu, die Seiten zu wechseln?
I.G.: Mir persönlich macht es mehr Spaß, Sammlungskonzepte zu entwickeln und Arbeiten zu behalten, als sie zu verkaufen. Außerdem haben Kunden manchmal geargwöhnt, als Sammlerin würde ich mir in der eigenen Galerie die Rosinen herauspicken und für andere Interessenten nur "zweite Wahl" übriglassen. Dieser Interessenkonflikt ließ sich nur über das Aufgeben einer der beiden Passionen beheben.
S.L.: Sie starteten sozusagen eine 2. Karriere. Haben Sie da Ihre bestehenden Verbindungen zum Kunstmarkt genutzt und jetzt die Künstler gesammelt, die Sie vorher verkauft haben oder haben wieder bei Null angefangen? Welchen Schwerpunkt hat die Sammlung?
I.G.: Prinzipiell sammle ich immer die jeweils junge Generation. Damals in den 60er Jahren war das Arte Povera, in den 80ern die Amerikaner, in den 90ern kamen dann die Engländer dazu. Derzeit liegt ein großer Schwerpunkt auf Künstlern, die mit den neuen Medien, Video und Fotografie arbeiten.
S.L.: Welchen Schwerpunkt hat die Sammlung?
I.G.: Zum einen konzentriere ich mich auf sozialkritische oder politische Kunst. Zum anderen weiterhin auf die Malerei.
S.L.: Ein eigenes Museum – die Sammlung öffentlich zugänglich zu machen – ist ein großer Schritt; entscheiden sich die meisten Sammler doch dafür, Teile der Sammlung temporär in verschiedenen Museen zu zeigen. Warum ein eigenes Museum?
I.G.: Es ist mir einfach ein großes Bedürfnis, ständig mit meiner Kunst in Kontakt zu sein. Das Museum gibt mir die Möglichkeit, kreativ mit meiner Sammlung umzugehen, Ausstellungen zu kuratieren, Kataloge herauszubringen. Außerdem möchte ich andere Menschen daran teilhaben lassen.
S.L.: Die Rosemarie Trockel Ausstellung geht im Oktober 2002 zu Ende – ist schon ein neues Ausstellungsprojekt geplant?
I.G.: Bis 10. November läuft in der Staatlichen Kunsthalle Baden-Baden die Ausstellung "Die Wohltat der Kunst", die post/feministische Positionen der 90er Jahre zeigt. Dabei handelt es sich um Arbeiten der jüngsten Generation aus meiner Sammlung. Diese Ausstellung werden wir ab Anfang Dezember nach München übernehmen.
Vielen Dank für das Interview.
Sammlung Goetz - München
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Silke Lemmes
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