Für die Kunsthalle Tübingen entwickelt Brenner ihre bislang größte Installation. Die dreidimensionalen Skizzen aus Karton fügen sich zu einem Plot, in den der Besucher eintreten kann. Thema in Tübingen sind ein Verkehrsunfall und seine Folgen für die Beteiligten. In der von Textpointen begleiteten Inszenierung steigert sich der besondere Vorfall zur allgemeinmenschlichen Tragikomödie.
Ein Lastwagen kracht in ein Wohnhaus. Damit fängt alles an. Wie dieses Ereignis das Leben des Fahrers und des in dem Haus wohnenden Paares beeinflusst, kann jeder erfahren, der die Ausstellung von Birgit Brenner in der Kunsthalle Tübingen besucht. Die kleinen und die großen Dramen des alltäglichen Lebens sind der Stoff, aus denen die Künstlerin ihre Arbeiten schafft. Dafür recherchiert sie in Illustrierten, im Fernsehen, in Internetforen von Amokläufern oder Suizidgefährdeten und im Leben selbst. Für die Kunsthalle Tübingen hat sie nun ihre bislang größte Installation entwickelt. Die Ausstellung gleicht dem dreidimensionalen Storyboard eines Doku-Dramas. Die Ausstellungsbesucher werden dazu animiert, im wahrsten Sinne des Wortes in die Geschichte einzutreten Skizzenhaft entfaltet Brenner in einem filmstudioartigen Aufbau ihre Geschichte. Aus einfachen Materialien wie Pappe und Papier, die sie bemalt oder mit Fotos beklebt, setzt sie die Grundzüge in Szene. Im Mittelpunkt steht der lebensgroße Unfallwagen. Aus dem Alltag gegriffene Motive ergänzen das von Textpointen begleitete Geschehen. Eine Fliege in der Poggenpohl-Küche oder Beteuerungen wie „Für immer und ewig“, denen dann doch „Rote Augen und Rotz“ folgen, wecken persönliche Assoziationsketten. Ergänzt wird die Installation durch eine Retrospektive von Zeichnungen und Kollagen auf DIN A4-Blättern, welche zwischen 1999 und 2009 entstanden sind. Auch die auf diesen zauberhaften kleinen Skizzen festgehaltenen Vorfälle sind Beispiele der allgemeinmenschlichen Tragikomödie: Hoffnungen, Wünsche und Lebensentwürfe scheitern an der Macht der Gegebenheiten. Glücksmomente wenden sich durch falsch getroffene Entscheidungen in ihr Gegenteil.
Birgit Brenner wurde in Ulm geboren. Sie lebt und arbeitet in Berlin und in Stuttgart, wo Sie Professorin an der Kunstakademie ist. Von der Zeitschrift Monopol wird sie als eine der „radikalsten zeitgenössischen Künstlerinnen" gefeiert, „die sich in der Umsetzung ihrer künstlerischen Ideen nicht auf ein Medium beschränkt.“ Auf dem internationalen Kunstmarkt wird Brenner von dem prominenten Leipziger und Berliner Galeristen Judy Lybke vertreten, der auch Künstler wie Matthias Weischer oder Neo Rauch groß gemacht hat. Erst in jüngster Zeit, etwa auf der Frieze in New York, konnte Lybke mit der unkonventionellen Künstlerin beachtliche Verkaufserfolge erzielen.
Zu der Ausstellung erscheint mit Unterstützung der Kreissparkasse Tübingen ein Katalog, herausgegeben von Daniel J. Schreiber, mit Texten von der Künstlerin, dem Herausgeber, dem SWR2-Filmkritiker Herbert Spaich und der Erfolgsautorin Juli Zeh. Da der Katalog auch Aufnahmen von der Ausstellung enthält, kann er erst im Rahmen eines Podiumsgespräches mit der Künstlerin, Herbert Spaich und Daniel J. Schreiber am 21. Juli um 16 Uhr der Öffentlichkeit präsentiert werden.
Ergänzend zu der Ausstellung von Birgit Brenner wird eine Auswahl an Porträts und Landschaftsbildern von Georg Friedrich Zundel (1875-1948) gezeigt. Zundel ist um 1900 durch seine Arbeiterbilder bekannt geworden, die ebenfalls von einem hohen Maß an Sensibilität für das menschliche Schicksal zeugen. Der aus Iptingen stammende Zundel lebte von 1927 an in Tübingen. Seine zweite Ehefrau Paula, eine Tochter des Industriellen Robert Bosch, hat ihm zu Ehren die 1971 eröffnete Kunsthalle gestiftet.
Täglich (außer Montag) 11-18 Uhr
Dienstag 11 - 19 Uhr
Stiftung
Kunsthalle Tübingen
Philosophenweg 76
72076 Tübingen
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pm
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