Birgit Brenner (*1964 in Ulm) ist die diesjährige Preisträgerin des mit knapp 100.000 Euro dotierten Wolfsburger Kunstpreises Junge Stadt sieht Junge Kunst. Die in Berlin und Stuttgart lebende Künstlerin verhandelt gesellschaftspolitische Fragen und Probleme und thematisiert eindrücklich die Ängste der Einzelnen angesichts existenzieller Herausforderungen. Ein Alles wird gut bieten die kühnen Installationen, Videos, Zeichnungen und Skulpturen dabei nie an, vielmehr rütteln sie wach und legen subtil verkrustete Strukturen offen. Dabei setzt Birgit Brenner diese neuerdings vermehrt auch in filmische Arbeiten um, in denen Zeichnungen in rascher Abfolge momenthaft aufblitzen und eine zugleich suggestive wie verstörende Wirkung entfalten. Sie beschreibt die Filme mit den Worten: „Unruhe, Nervosität, Hektik, Zittern, Rennen, in Trance um sich selbst drehend, dazu Licht, stroboskopartig dazwischengeschaltet. Stillstand trotz Mobilität. Wir steuern, nein, wir sind mitten drin, Richtung multiple Katastrophe. Wird schon. Irgendwie. Vielleicht. Vielleicht auch nicht. Aber es geht ja immer weiter. Ein ewiger Kreislauf von Ereignissen und Handlungen.“
In der Ausstellung im Schloss Wolfsburg zeigt Birgit Brenner drei neue Arbeiten, die während ihres Stipendienaufenthaltes in der Villa Massimo in Rom (September 2019 – Juni 2020) entstanden sind. Die in Italien konzipierten Arbeiten erhalten vor dem Hintergrund der CoVid -19 – Pandemie eine besondere Relevanz. Auch wenn die Themen nicht als direkte Reaktion darauf entwickelt wurden, sondern schon vorher gedanklich virulent waren. Im ersten Raum präsentiert sie zwei neue Kurzfilme. Bei ihren Recherchen ist sie darauf gestoßen, dass die sogenannte Weltuntergangsuhr dieses Jahr erstmals historisch von fünf Minuten vor zwölf auf hundert Sekunden vor zwölf umgestellt wurde. „Damit eröffnete sich mir eine Möglichkeit, Umweltbedrohung oder Atomkriegsgefahr so umsetzen, dass es nicht plakativ wirkt. Die Uhr wird zur Metapher, in der sich der ganze Themenkomplex verdichtet, sie ist ein starkes Bild dafür, dass wir nicht mehr viel Zeit haben, wenn wir das Ruder noch rumreißen wollen. Daraus habe ich die Idee zu dem Kurzfilm Hundred Seconds to Midnight entwickelt. In der zweiten filmischen Arbeit, Shifting Baseline, dominieren rasante Bewegungen und intensive Töne, die an Alarmsysteme – auch aus dem medizinischen Bereich – erinnern. Die Themen sind ebenfalls Weltuntergang, Zerstörung, Auflösung und das Ignorieren und Davonlaufen vor Gefahr.
Im nächsten Raum ist eine apokalyptische, übergroße Installation Promises And Other Lies. Sie wirkt wie in den Raum hineingepresst, sprengt sie diesen doch formal und visuell. Gearbeitet in gelasertem oder gebogenem Stahl und partiell mit Kunststoff ausgefüllt, collagiert die Künstlerin hier verschiedene Bildwelten wie einen Filmstill, der eingefroren im Raum zu stehen scheint. Viele Elemente aus den beiden vorherigen Filmen tauchen hier wieder auf. Nur dass man jetzt physisch hineingezogen wird, quasi mittendrin steht. Im letzten Raum zeigt Birgit Brenner den 2019 entstandenen Film Sommer, Sonne, Sicherheit. Er visualisiert kein lautes Inferno, sondern ein stilles Psychodrama in drei Akten – mit Hinweisen auf Wachstum und Weltbevölkerung.
Städtische Galerie Wolfsburg
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