Die Schirn Kunsthalle Frankfurt präsentiert vom 23. August bis 28. Oktober 2018 die neueste filmische Arbeit des vielfach ausgezeichneten Video- und Installationskünstlers Neïl Beloufa. In der öffentlich zugänglichen Rotunde und einem angrenzenden Ausstellungsraum errichtet Beloufa für „Global Agreement“ begehbare skulpturale Installationen. Auf verschiedenen Monitoren in Teilen der Skulpturen ist eine filmische Interview-Collage zu sehen.
Die Interview-Collage widmet sich dem menschlichen Körper sowie dessen diskursiver und politischer Bedeutung. Sie zeigt Neïl Beloufas jüngstes Interesse an Militär, Waffen, Fitness, Schönheit und Körperkult sowie an der Inszenierung von Macht. Macht ist ein zentrales und wiederkehrendes Thema in seinem Werk – der gesellschaftliche Konflikt zwischen Majorität und Minorität, zwischen Dominanz und Unterdrückung genauso wie die Macht der Bilder für die Wahrnehmung der Wirklichkeit. Die Videoarbeit basiert auf Interviews, die der Künstler mit Soldatinnen und Soldaten aus unterschiedlichen Ländern über den Videochatdienst Skype geführt hat. Dafür hat Beloufa zu Recherchezwecken unterschiedliche Profile in sozialen Netzwerken erstellt, um mit der Community in Kontakt zu treten und über den gemeinsamen Austausch etwas über sie zu erfahren. In den Profilen auf Facebook und Instagram überwiegt eine spezifische Selbstdarstellung der Soldatinnen und Soldaten – oft in Posen, die der Mode- und Lifestyleindustrie entlehnt wurden. In den persönlichen Videointerviews mit dem Künstler berichten die Soldatinnen und Soldaten indes aus ihrem beruflichen Alltag, wie sie etwa in den jeweiligen Militärlagern und Stützpunkten leben, aus welchen Gründen sie der Armee beigetreten sind, welche Hoffnungen und Ängste sie bei ihren möglichen oder tatsächlichen Einsätzen haben und welche prägenden Erfahrungen sie im Dienst für ihre Nation gemacht haben.
Zentrum und Ausgangspunkt in Neïl Beloufas Werk ist der Film als künstlerisches Medium. Dessen Produktionsparameter wie Set, Licht, Perspektive und Schnitt wendet er für die Entwicklung seiner Videoarbeiten, Skulpturen und Installationen an. Diese Installationen und Räume sind Ausdrucksformen der filmischen Erzählung; in und auf ihnen wird das jeweilige Narrativ abgebildet. In Beloufas Videoarbeiten verschmelzen Fiktion und Realität. Von seiner eigenen Wahrnehmung irritiert kann der Betrachter zwischen wahr und falsch nicht mehr unterscheiden. Immer wieder setzt sich Beloufa in seinen Arbeiten auch mit der Kunst, mit seinem eigenen Tun als Künstler auseinander. Seine Werke entstehen kollaborativ, mit dem Ziel, die singuläre Position und die subjektive Perspektive des eigentlichen Autors zu eliminieren.
In „Global Agreement“ wirft der Künstler Fragen physischer Präsentation wie auch der Rezeption und der Einbeziehung beziehungsweise Positionierung des Betrachters auf. Beloufa arbeitet dabei mit Strategien, die eine klare Repräsentation verweigern: Weder wird der übergeordnete militärische Kontext sichtbar, denn die Protagonisten sind nicht durch Kleidung in ihrer Funktion zu erkennen, noch wird das Gespräch dialogisch wiedergegeben. Der Künstler als Interviewer bleibt vollständig abwesend. Genauso wie die filmische Narration in „Global Agreement“ ist auch die Videoarbeit letztlich nicht abgeschlossen. Beloufa lässt die Frage nach einer Fortführung der Arbeit offen – sie stellt vielmehr den Beginn einer Auseinandersetzung dar.
„Macht und ihre gesellschaftliche Manifestation sind zentrale Themen im Werk von Neïl Beloufa.
Das ist aber nur die eine Seite. Viel wesentlicher erscheint die Frage, wie sich Machtstrukturen herausfordern lassen. Am Anfang stehen Neïl Beloufa selbst, seine Rolle als Künstler und der Anspruch selbstbestimmt, von äußeren Erwartungen losgelöst, zu arbeiten. Indem er etablierte Strukturen der Macht untersucht – übrigens auch jene des Kunstbetriebs –, lädt er uns ein, ihre Absurditäten zu erkennen. Es freut mich, dass wir Neïl Beloufa gewinnen konnten, seine neueste Arbeit in der Schirn zu präsentieren“, sagt Dr. Philipp Demandt, Direktor der Schirn Kunsthalle Frankfurt, über den Künstler.
Der Kurator der Ausstellung, Matthias Ulrich, über die neueste Videoarbeit von Neïl Beloufa: „Politische und gesellschaftliche Konflikte in der globalen Gegenwart verlagern sich zunehmend ins Internet. Dort, wo sprachliche und bildliche Argumente von Millionen Usern nicht nur Ausdruck und ein Forum finden, sondern auch eine eigene Realität bilden, setzt Neïl Beloufa in seiner Arbeit an. Er folgt dabei einer einfachen Regel: Er schafft Situationen, in denen die Protagonisten von Dingen sprechen, die stattgefunden haben oder auch nicht. In einem nächsten Schritt wiederholen sich diese Situationen, als ob sie sich noch einmal selbst beobachten würden – die Fiktion, der Kommentar zur Fiktion und schließlich der Kommentar auf die Herstellung einer Fiktion werden miteinander kombiniert.“
SCHIRN KUNSTHALLE FRANKFURT,
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