Die Arbeiten des Künstlerkollektivs Atelier Van Lieshout sind in den Disziplinen Installation, Bildhauerei, Architektur und Happening angesiedelt. Ihre interdisziplinäre Praxis beschäftigt sich mit dem Zerlegen und neu definieren von Systemen in gesellschaftlichen, politischen und wirtschaftlichen Zusammenhängen ebenso wie im menschlichen Körper. Dabei werden die Grenzen zwischen Kunst, Design und Architektur laufend überschritten und die Schnittpunkte zwischen Funktion und Fiktion, Zerstörung und Kreation ausgelotet. Im Zentrum der Schau im Kunstraum Dornbirn steht das monumentale Werk „Pendulum“, eine mechanische überdimensionale, tickende Uhr, die den unwiderruflichen Lauf der Zeit und damit der eigenen Lebenszeit widerspiegelt. In direkter Verbindung mit „Pendulum“ stehen maschinenhafte Werke, die ihre Arbeit der Veränderung und Zerstörung verrichten. Diese Prozesse werden in mehreren begleitenden Videos im Ausstellungsraum installiert.
1995 gründete Joep Van Lieshout das Atelier Van Lieshout und arbeitet seither ausschließlich unter diesem Namen. 2001 erklärte das Atelier Van Lieshout seine Werkstätten und Betriebsgebäude im Rotterdamer Hafengebiet zu einem freien und unabhängigen Staat, genannt „Ville“. Ziel dieser Unabhängigkeitsbestrebungen war ein Maximum an Freiheit, ein Minimum an Regeln und die höchstmögliche Autarkie zu erreichen, dies aber nicht durch utopische Manifeste, sondern mittels reeller wirtschaftlicher Strategien. Die Verwirklichung des Traums von einem autonomen Ort, der sich selbst versorgt, mit mobilen Wohneinheiten, einem Bauernhof, einer Krankenstation, einer Kantine, einer Brauerei, einer Wurstfabrik und einer Waffenfabrik war nur einige, wenige Monate möglich. Das Projekt, das sich selbst als „provokativer Gegenentwurf zu staatlicher Herrschaft und Monopol“ verstand, wurde von den Behörden nicht geduldet und kurzerhand geschlossen.
Die behördliche Schließung der „Ville“ beeinflusste nachfolgend die Arbeiten des Atelier Van Lieshout. Waren in der Vergangenheit Themen wie Freiheit und Autonomie zentral, wurden die späteren Arbeiten vom Diktat restriktiver Gesellschaftssysteme indirekt beeinflusst.
„Vor diesem Hintergrund entstanden die 2003 und 2005 entwickelten Werkblöcke »The Disciplinator« und »The Technocrat«. »The Disciplinator« ist eine käfigartige Konstruktion aus Stahl und Holz, in der 72 Insassen arbeiten, schlafen, essen und dabei einem schroffen Zeitplan unterliegen, einzig zu dem Zweck, Sägemehl aus vier Baumstämmen herzustellen.
Durch die vorgegebenen Ressourcen (es gibt nur 36 Feilen und 24 Betten) sind die Arbeitsabläufe zwangsbestimmt und wird der Schichtbetrieb, der die Baumstämme rund um die Uhr bearbeiten soll, erzwungen. Das Atelier van Lieshout will diese Werkblöcke bewusst als Gegenstück zu seinem bisherigen Schaffen verstanden wissen, das durch selbstgewählte und selbstorganisierte Arbeitsteilung bestimmt war, ehe es durch den Staat unterbunden wurde. Thematisiert werden immanent auch die globalen Zwänge, die handwerkliche Qualität und arbeitsrechtliche Mindeststandards durch industrialisierte Arbeitsabläufe ohne soziale Absicherung.“1
Das Atelier Van Lieshout verbindet in seiner Arbeit Ästhetik und Ethik mit Unternehmergeist. Das Künstlerkollektiv seziert Systeme, experimentiert, sucht nach Alternativen und definiert Ausstellungen als Experimente, die immer wieder alternative und innovative Energiekonzepte und Lebensformen im Alltag nachhaltig beeinflusst haben.
Joep Van Lieshout’s enormer Schaffensdrang ließ in den letzten Jahren unzählige große künstlerische Projekte entstehen, deren Titel bereits seine konzeptuellen Ansätze andeuten: „Waiting for the Barbarians“, „Manufactuur“, „The New Tribal Labyrinth Series“, „Slave City“ - die innerhalb dieser Werkserien entstandenen Skulpturen und Installationen erinnern an Maschinen, Werkstätten, an komplette Entwürfe utopischer Stadtlandschaften und thematisieren einerseits seine Vision einer alternativen Weltordnung und sind gleichzeitig sein kritisch zynischer Kommentar zu unserer kapitalistischen Wirtschaftsordnung, deren höchstes Ziel die Maximierung der Gewinne ist.
Kunstraum Dornbirn
Ausstellung: Jahngasse 6, 6850 Dornbirn, täglich 10 bis 18 Uhr
www.kunstraumdornbirn.at
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