In der Ausstellung „SHIRIN NESHAT. LIVING IN ONE LAND, DREAMING IN ANOTHER” wird erstmalig in einer europäischen Institution das jüngste Werk der iranisch-amerikanischen Künstlerin Shirin Neshat (*1957, Qazvin, Iran) „Land of Dreams” (2019) mit weiteren Hauptwerken aus ihrem Œuvre präsentiert. Dabei handelt es sich um die Auftaktveranstaltung einer Kooperation zwischen der Sammlung Moderne Kunst in der Pinakothek der Moderne und der Written Art Collection.
Die Fotografin und Filmemacherin Shirin Neshat verbindet und erweitert die reiche Tradition persischer und westlicher Bildsprachen. Zentrale Themen ihres Schaffens sind Identität, Herkunft und Machtstrukturen, wobei sie sich unter anderem der traditionellen Kalligrafie ihres Herkunftslandes sowie der westlichen Porträtkunst bedient.
„Land of Dreams” konnte durch die großzügige Förderung der Written Art Collection angekauft werden und steht im Zentrum der Ausstellung. Die Werkserie stellt einen Meilenstein im Œuvre Neshats dar, da sie sich erstmalig mit dem Westen, namentlich mit ihrer Exilheimat USA auseinandersetzt sowie medienübergreifend arbeitet: In Schwarz-Weiß-Kompositionen aus 111 Fotografien und einer Zwei-Kanal-Video-Installation porträtiert Simin, das Alter Ego der Künstlerin, die Bevölkerung einer amerikanischen Kleinstadt und notiert deren Träume. Diese werden in einer dystopischen, im Inneren eines Berges versteckten iranischen Kolonie zu Spionagezwecken analysiert und katalogisiert. Die Träume, Ängste und Bedürfnisse erscheinen darin als archetypische und anthropologische Konstante, welche das Potential haben, die auseinanderstrebenden kulturellen Prägungen zu überwinden.
Diese Neuerwerbung ist nun die zweite Arbeit der international renommierten Künstlerin im Bestand der Sammlung Moderne Kunst in der Pinakothek der Moderne, denn bereits 2002 wurde die Videoarbeit „Possessed” (2001) erworben. Darin verhandelt Neshat das Spannungsfeld innerhalb islamischer Gesellschaften zwischen privatem und öffentlichem Raum, zwischen Normativität und Devianz.
Neben den beiden sammlungseigenen Arbeiten werden zusätzliche Werke aus der Written Art Collection präsentiert: „The Book of Kings” (2012) und „The Home of My Eyes” (2015). „The Book of Kings” spielt u. a. auf das mittelalterliche persische Epos „Shahnameh – das Buch der Könige” an, das von dem Dichter Abu I-Qasem-e Ferdowsi (940-1020) verfasst wurde und in dem die Geschichte Persiens tradiert wird. Shirin Neshat überträgt den Stoff in die Gegenwart, indem sie ihn durch das Zusammenspiel von Porträtfotografie, Zeichnungen und Kalligrafie mit den damaligen politischen Umwälzungen in Verbindung bringt.
Die kritische Auseinandersetzung mit dem Thema Identität führt Neshat 2015 fort und beschäftigt sich auch in „The Home of My Eyes” intensiv mit der Bedeutung des Konzepts „Heimat” sowie der individuellen und kollektiven Definition des Begriffs. Die für Neshat typischen Schwarz-Weiß-Arbeiten lassen in der Individualität der Porträtierten immer auch die kollektive Geschichte in ihrer sozial- und geopolitischen Komplexität aufscheinen – in diesem Fall die sprachliche, religiöse und kulturelle Diversität in Aserbaidschan.
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