Logo art-in.de


BILD-GEGEN-BILD



Adela Jusic, The Sniper, 2007, Filmstill, One Channel video, colour, sound, 4´9"

Die Ausstellung stellt künstlerische Positionen vor, die sich kritisch mit der Darstellung von gewalttätigen Konflikten in den Medien befassen. Der adressierte zeitliche Rahmen reicht vom Irak-Krieg 1991 über die Anschläge auf das World Trade Center am 11. September 2001 bis zu den Ereignissen des Arabischen Frühlings 2011.

Da Bilder nicht isoliert wahrgenommen werden, sondern in Hinblick auf andere, schon bestehende, geht es bei den ausgewählten Werken auch um die Frage, in welcher Bildtradition sich eine Darstellung bewegt und welche Inhalte sie über das Einzelbild hinaus thematisiert. Der Titel BILD-GEGEN-BILD bezieht sich auf das Phänomen visueller Rüstungsspiralen, also auf die Tatsache, dass Medienbilder zueinander in Konkurrenz gebracht werden, sich gegenseitig verdrängen oder mit anderen Bildern
´bekämpft` werden.

Rahmen, Agenda, Selektion

Der "Rahmung" eines Geschehens als Bild kommt laut Susan Sontag eine entscheidende Bedeutung zu, denn Bilder haben Einfluss darauf, "welche Katastrophen und Krisen wir beachten, wofür wir uns interessieren, und letztendlich auch wie wir diese Konflikte bewerten."

Dass längst nicht jeder Konflikt ins Bild gesetzt wird, zeigt die Sammlung von Newsweek-Titelseiten der Monate April bis August 1994, die Alfredo Jaar angelegt hat (Untitled [Newsweek], 1994). Das Magazin widmete dem Massaker der Hutu an den Tutsi erst Anfang August eine Titelseite - als bereits eine Million Menschen ermordet worden und rund zwei Millionen Menschen aus Ruanda geflohen waren. Diese Serie von Titelseiten führt die Hierarchisierung von Nachrichten vor und formuliert indirekt Fragen nach der Agenda und Verantwortlichkeit von Journalisten.

Jasmila Zbanic stellt dieselbe Frage in ihrem Film "Images from the Corner" (2003) explizit und spitzt sie zu einer These zu: Ausländische Journalisten in Krisengebieten sind für die Regisseurin eine der Wunden, die ein Krieg der Bevölkerung setzt. Sie kommen und gehen mit dem Krieg: "Der Krieg zieht weiter zu anderen Orten, und die Kameras, Journalisten und Fotoreporter ziehen mit ihm, produzieren ihre Nachrichten und ihre neuen Bilder. Wir dagegen bleiben mit unseren zurück." Ihr Film greift ein Ereignis in Sarajewo aus dem Jahr 1992 auf: Ein französischer Bildjournalist fotografierte eine von einer Granate verwundete junge Frau, die um Hilfe schreiend auf der Straße lag. Jasmila Žbanic filmt die Stelle, wo die Verwundete lag und unterlegt dies mit den Geräuschen eines Fotoapparats, bei dem auf den Auslöser gedrückt und zweimal der Film gewechselt wird. Die Kameraeinstellung dauert so lange, wie der Journalist gebraucht hat, um drei Filme zu füllen.

Bildproduktion und Deutungshoheit

Die Berichterstattung in den Medien hat sich in den letzten zwanzig Jahren entscheidend verändert. Markante Eckpunkte sind der Zweite Golfkrieg von 1990/91, die Angriffe auf das World Trade Center in New York vom 11. September 2001, sowie die Bilder des Arabischen Frühlings 2011.

Auslöser des Zweiten Golfkriegs war die Invasion Kuwaits durch den Irak im August 1990. Die Angriffe des US-Militärs gegen den Irak begannen im Januar 1991. Um den Informationsfluss so zu kanalisieren, dass er den politischen Zielen der Militäroperation förderlich wäre, war den Einheiten des US-Militärs bereits im August 1990 ein Memorandum ("Annex Foxtrot") übermittelt worden. Nach den darin formulierten Vorgaben durften sich Reporter nur eskortiert bewegen ("News media representatives will be escorted at all times. Repeat, at all times"), und sämtliche Berichte unterlagen der Freigabe durch das Militär ("Reports reviewed by military censors"). Da sich die Berichterstatter kein unabhängiges Bild von den Ereignissen machen konnten, vermittelten die Medien das Bild eines ´sauberen` Krieges, von dem lediglich die Aktionen und Angriffe, aber nicht die Folgen gezeigt wurden. Die offizielle Bildproduktion bestand vorwiegend aus distanzierten Nachtaufnahmen, Monitor- und Fadenkreuzbildern.

Nin Brudermann nutzt in "Warten auf Krieg" (1998) Videomaterial solcher Liveübertragungen, entstanden im Dezember 1998 während der Operation Desert Fox. Die monochromen grünen Nachtaufnahmen zeigen irakische Ziele aus unterschiedlichen Perspektiven, die von vier großen Nachrichtenagenturen bereitgestellt wurden. Als Entsprechung für diese Gleichzeitigkeit der Bilder zeigt Nin Brudermann das Geschehen auf vier Projektionen. Die Kameraschwenks über irakische Ziele lassen einen Angriff erwarten und sind spannungsgeladen. Telegen inszenierte Explosionen, begleitet von den entsprechenden Geräuschen, und stille Passagen zwischen den Angriffen wechseln einander ab. Nin Brudermann bezeichnet diese Arbeit als "Kriegswerk", das "auf derselben spekulativen Spektakelwirkung beruht wie ein Feuerwerk."

Im Unterschied zum ´sauberen` Bild des Zweiten Golfkrieges wurden die Bilder der Angriffe auf das World Trade Center am 11. September 2001 weltweit auf zahlreichen Kanälen übertragen. Die Ereignisse waren dadurch sofort weltweit sichtbar und zeigten die Verwundbarkeit der USA und des kapitalistischen Systems. Hans-Peter Feldmann hat 151 Titelseiten internationaler Tageszeitungen, die am Tag nach den Angriffen erschienen, zu einer Serie zusammengefügt. Sie dient als einschlägiges Beispiel für die weltweite Vernetzung von Nachrichtenagenturen, die sich aus einem ähnlichen Pool von Bildern bedienen. Variationen ergeben sich in der Größe für den Abdruck, im Wortlaut der Überschriften und bei der Bewertung der Ereignisse - von einer Katastrophe apokalyptischen Ausmaßes über eine Kriegserklärung gegen die USA oder einem Angriff auf die von den USA repräsentierte Wirtschaftsordnung.

Zwei Tage, nachdem die USA und Großbritannien im Jahr 2001 begonnen hatten, Afghanistan zu bombardieren, fand John Smith auf dem Fernseher seines Hotelzimmers minutenlang ein Standbild vor. Die Bombardierungen Afghanistans, von denen der Sprecher berichtete, waren nicht zu sehen. Das still stehende Fernsehbild wurde für Smith zur Metapher für die Verunsicherung, die von den aktuellen Ereignissen ausgelöst wurde. "Die halbe Welt ist ein protziges Hotel, die andere Hälfte ein Trümmerhaufen", hat er über das Konzept seiner acht Videos mit dem Titel "Hotel Diaries" (2001-07) gesagt. Die Filme sind jeweils in Hotelzimmern gedreht. Ausgehend von vorgefundenen Gegenständen und Situationen entwickelt Smith seine Aussagen zum Weltgeschehen. Sie verleihen der Überzeugung Ausdruck, dass jeder Ort politisch ist und Bezug zu den Ereignissen ´draußen` hat.

Der libanesische Künstler Roy Samaha, früher Journalist für ABC, hat seine Eindrücke in einer persönlichen Erzählung verarbeitet. 2011, im Rahmen des Leica-Wettbewerbs "In the Footsteps of the Great Explorers", setzte er sich fotografisch mit der Revolution in Ägypten auseinander. Vor seiner Ankunft verfolgte er das Geschehen über Youtube und Twitter; als er ankam, waren Telefon und Internet abgestellt. Seine Bilder zeigen das Leben der Menschen in dieser Ausnahmesituation und erzählen eine Hintergrundgeschichte jenseits der Nachrichtenbilder.

Kriegsführung am Monitor

Das Künstlerduo Ben Langlands und Nikki Bell ist 2002 für Recherchen nach Afghanistan gereist und hat in Daruntah bei Jalalabad das ehemalige Wohnhaus von Osama bin Laden fotografiert. Dort hat sich bin Laden 1996/97 aufgehalten, dort soll er bereits die Anschläge des 9. September 2001 geplant haben. Der Film "The House of Osama Bin Laden" (2003) ist interaktiv angelegt, jedoch ohne die Erwartungen, die an ein Computerspiel gestellt werden, zu erfüllen: Die Räume des schlichten Landhauses bleiben menschenleer - nirgends zeigt sich ein potenzielles Opfer, das man virtuell töten könnte. Die Animation lässt die üblichen Stereotypen der Feinddarstellung vermissen und liefert ein Gegenbild zu den ideologisch überfrachteten Darstellungen, die damals in den Medien üblich waren.

Harun Farocki zeigt mit seiner Werkgruppe "Ernste Spiele", wie stark die Kriegsführung selbst heute virtualisiert ist. Er dokumentiert Schulungen von Soldaten in US-Militärstützpunkten und kombiniert dieses Material mit Computersimulationen. Basierend auf Satellitenaufnahmen von Afghanistan und Irak, dienen diese Simulationen der Vorbereitung auf Angriffe ebenso wie der Therapie posttraumatischer Störungen. Es fällt auf, dass bei Produzenten wie Anwendern dieser Software der Glaube an die Technik ungebrochen scheint, als könnten Simulationen eine wirkliche Hilfe bei der Vorbereitung und Verarbeitung von Erlebnissen sein.

Grenzen militärischer Technologie

Man geht allgemein davon aus, dass dem amerikanischen Militär die am weitesten entwickelten Techniken der Feindbeobachtung zur Verfügung stehen, und es dadurch überlegen ist. Wer jedoch den Beobachter beobachtet, kehrt die Machtverhältnisse um. In der Fotoserie "Limit Telephotography" (seit 2005) dokumentiert Trevor Paglen geheime US-amerikanische Militäranlagen. Die Fotografien dieser Serie sind mit Techniken aufgenommen, die ursprünglich für die Astronomie und Astrofotografie entwickelt wurden. Doch selbst diese Technik erlaubt aus einer Entfernung von bis zu 60 Meilen keine präzise Darstellung. Die Motive bleiben verschwommen. Auf diese Weise formuliert Trevor Paglen ein Paradox: Wer der Öffentlichkeit Informationen zugänglich machen will, die ihr nach demokratischem Verständnis zustehen, scheitert an den Grenzen der Technik.

Andere Künstler, die in der Ausstellung vertreten sind, nähern sich dem Thema mit systematischer Recherche. Bei Sean Snyder geht es um die Produktion und Weiterverarbeitung von Bildern mithilfe technischer Apparate. Das Künstlerduo bureau d´études zeigt in einer eigens für die Ausstellung produzierten Raum-im-Raum-Installation, auf welche Weise nicht-iranische Presseorgane und politische Instanzen 2011 den Iran dargestellt haben.

Die Mittel der Malerei nutzen Monika Huber, Wilhelm Sasnal und Radenko Milak. Alle drei verwenden für die hier gezeigten Werke von den Medien verbreitete Bildvorlagen (vom Fernseher abfotografierte Nachrichtenbilder, das im Internet veröffentlichte Bild des aufgebahrten Muammar al-Gaddafi, und den fotografisch dokumentierten Übergriff auf Zivilisten im ehemaligen Jugoslawien).

Insgesamt vereint die Ausstellung Werke von bureau d´études, Nin Brudermann, Harun Farocki, Omer Fast, Hans-Peter Feldmann, Téo Hernandez, Monika Huber, Alfredo Jaar, Adela Jusic, Radenko Milak, Langlands & Bell, Trevor Paglen, Thomas Ruff, Roy Samaha, Wilhelm Sasnal, Ahlam Shibli, John Smith, Sean Snyder, Thomson & Craighead und Jasmila Zbanic. Sie wird von Patrizia Dander, León Krempel, Julienne Lorz und Ulrich Wilmes kuratiert. ...

Als Teil des Programms zu seinem 75-jährigen Bestehen eröffnet das Haus der Kunst am 9. Juni 2012 gleichzeitig die Ausstellung "Geschichten im Konflikt: Das Haus der Kunst und der ideologische Gebrauch von Kunst 1937-1955". ...

Haus der Kunst
Prinzregentenstraße 1
80538 München
+49 89 211 27-115
hausderkunst.de

Medienmitteilung





Kataloge/Medien zum Thema: Adela Jusic




Anzeige
Gulia Groenke


Anzeige
Responsive image


Anzeige
Rubica von Streng


Anzeige
aladag Magdeburg

Anzeige Galerie Berlin

Responsive image
Freundeskreis Willy-Brandt-Haus e.V.




Anzeige Galerie Berlin

Responsive image
Haus am Lützowplatz




Anzeige Galerie Berlin

Responsive image
Kommunale Galerie Berlin




Anzeige Galerie Berlin

Responsive image
Japanisch-Deutsches Zentrum Berlin




Anzeige Galerie Berlin

Responsive image
Galerie Alte Schule im Kulturzentrum Adlershof