Diesen Sommer präsentiert die Staatliche Kunsthalle Baden-Baden in zwei ihrer großen Oberlichtsäle die bisher umfassendste Werkschau der polnischen Künstlerin Alina Szapocznikow (1926-1973) im deutschsprachigen Raum. Die Ausstellung versammelt über 50 Arbeiten aus allen Schaffensphasen und gibt einen tiefen Einblick in das Werk einer der radikalsten Künstlerinnen des 20. Jahrhunderts, die erst seit wenigen Jahren auch außerhalb Polens international Anerkennung findet.
Alina Szapocznikows Schaffen war geprägt von der intensiven Auseinandersetzung mit dem menschlichen Körper und seiner Vergänglichkeit. Dank einer klassischen Bildhauerausbildung, die ihre frühesten Arbeiten prägte, verfügte sie über eine Formensprache, die sie im Verlauf von zwei Jahrzehnten immer wieder hinterfragen und dekonstruieren sollte. Nachdem sie figurative Skulpturen aus Bronze, Gips oder Stein geschaffen hatte, begann die Künstlerin mit neuen Materialien wie Polyesterharz und Polyurethan zu experimentieren. Damit revolutionierte sie die Ausdrucksmöglichkeiten von Skulptur. Sie zerlegte den menschlichen Körper in Fragmente wie Lippen, Brüste, Bauch und Gliedmaßen, um diese wieder neu zusammenzusetzen oder für sich allein stehen zu lassen. Oft fand auch ihr eigener Körper als Abdruck Eingang in die Arbeiten.
So schuf Szapocznikow einige ihrer bekanntesten Werke – elektrische Lampen, die aus Abformungen weiblicher Lippen bestehen, oder Gegenstände und Fotografien, die in tumorartige Schwellungen aus Polyesterharz eingebettet sind. In dem Werk Stèle scheinen einzelne Körperteile wie Knie, eine Gesichtshälfte und Unterschenkel in amorpher schwarzer Masse zu versinken. Diese „unbeholfenen Objekte“, wie sie die Künstlerin nannte, sind sexuell und emotional aufgeladen, humorvoll und bedrohlich zugleich. Sie bewegen sich zwischen lustvoller Schönheit und abgründiger Todesnähe. Dabei zeigen sie, dass sich die Künstlerin mit dem Nachleben des Surrealismus ebenso beschäftigte wie mit den zeitgenössischen Tendenzen des Nouveau Réalisme und der Pop Art.
Die Zerbrechlichkeit des menschlichen Daseins, die zu ihrem beständigen Thema wurde, war Szapocznikow immer bewusst. Als polnische Jüdin verbrachte sie ihre Jugendjahre in Konzentrationslagern, bevor sie über Prag nach Paris zog. 1969 erfuhr die Künstlerin, dass sie an einer Krebserkrankung litt, der sie schließlich mit nur 47 Jahren erlag. Ihr Schaffen der letzten Lebensjahre ist unverkennbar geprägt vom Kampf gegen die Krankheit; es mahnt, an das Leben zu erinnern und es zu feiern sowie auch die unausweichliche Vergänglichkeit des Körpers anzuerkennen.
Die Ausstellung findet als Kooperation zwischen der Staatlichen Kunsthalle Baden-Baden und The Hepworth Wakefield statt und ist in Baden-Baden kuratiert von Luisa Heese. Bespielt werden die beiden großen Oberlichtsäle. Die weiteren Ausstellungskabinette sind wegen einer Dachsanierung über den Sommer geschlossen.
Katalog: Es erscheint eine zweisprachige Monografie im Verlag der Buchhandlung Walther König, Köln, mit Texten von Andrew Bonacina, Kirsty Bell, Marek Beylin, Marta Dziewańska, Luisa Heese und Griselda Pollock, sowie zahlreichen Archivaufnahmen und Werkabbildungen.
Staatliche Kunsthalle Baden-Baden
Lichtentaler Allee 8a
76530 Baden-Baden
www.kunsthalle-baden-baden.de
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