Die Ausstellung Transformation und Wiederkehr im Lentos betrachtet Radikale Nationalismen im Spiegel zeitgenössischer Kunst. Die versammelten Werke von 14 KünstlerInnen, darunter Monica Bonvicini, Henrike Naumann oder Ines Doujak, reinszinieren und dekonstruieren grundlegenden faschistoide Mechanismen.
Das Jahr 1945 bezeichnet das Ende des zweiten Weltkrieges und der nationalsozialistischen Herrschaft. Ideen und Weltanschauung bleiben aber auch nach dieser Zäsur in unterschiedlichen Zusammenhängen wirksam. Nationalistische und rechtsextreme politische Strömungen beziehen sich direkt oder indirekt auf die Geisteshaltung des Faschismus und Nationalsozialismus. Dieser Wiederkehr rechtsextremer Positionen im Politischen entspricht eine gleichzeitige kritische Repräsentation des Faschismus in der bildenden Kunst und der Literatur. Ästhetische Versatzstücke dieser Weltanschauung werden auch immer wieder durch die Populärkultur angeeignet. Sowohl im Feld des Imaginären als auch in dem des Realen spiegeln sich diese Erscheinungen wider. Die Ausstellung versammelt künstlerische Positionen und Strategien einer Auseinandersetzung mit den Phänomenen Faschismus und Nationalsozialismus. Sie reichen von Aneignung und mimetischer Subversion bis hin zur analytischen Betrachtung, Re-inszenierung und Dekonstruktion faschistoider Mechanismen, wie der Fetischisierung von Autoritäten oder obsessiven Untergangsphantasien.
Ein Aspekt des Ausstellungsprojektes ist die These des Psychoanalytikers Wilhelm Reich, nach der Faschismus ein originär sexualisiertes politisches Feld mit daraus resultierenden prekären Geschlechtsidentitäten sei. Daraus ergibt sich die Fragestellung wie dieses politische System, trotz (oder gerade wegen?) seines real reaktionären Charakters, eine kontinuierliche Projektionsfläche transgressiver Phantasien werden konnte. Schlussendlich soll diese Ausstellung auch einen Blick darauf werfen, welche künstlerischen Strategien dazu geeignet sind, aktuelle totalitäre und rechtsextreme Entwicklungen zu visualisieren.
Zu sehen sind Werke von 14 KünstlerInnnen die die Thematik aus unterschiedlichen Perspektiven untersuchen. Annika Larsson (*1972 Stockholm, Schweden) nimmt die gesellschaftlichen Mechanismen von Dominanz und Unterwerfung, Kontrolle und Machtlosigkeit unter die Lupe. Dies kommt in ihrer Videoarbeit Dog (2001) zu Tage: Zwei Männer im Anzug. Einer hält einen Hund an einer Metallkette, und genau darauf fällt unser Blick. Ähnliches wird auch durch Monica Bonvicinis (*1965 Venedig, Italien) Serie von Bronzeskulpturen namens Belt Exercise (2018), sichtbar. Die Skulpturen sind im Zuge ihrer Performance im Münchner Herkulessaal 2016 entstanden. Die Gürtel sind dabei assoziativ aufgeladene Objekte. Sie verweisen auf männlich besetzte Autorität und auf Disziplinarmaßnahmen. Henrike Naumann (*1984 Zwickau, Deutschland) hingegen untersucht die Spuren der sozialen, politischen und ökonomischen Transformation der DDR und vor allem die rechtsextremen Entwicklungen ihrer alten Heimat. Dabei spielt sie mit der vertrauten Neunzigerjahre-Ästhetik und nationalistischer Symbolik, wie sie sich in Alltagsdingen zeigen. So wird in der Arbeit M40B3 (2019) ein dekonstruierter Bauhaus-Stuhl zu einem Schussapparat. Markus Proschek (*1981 Schwarzach i. Pg., Österreich), der gemeinsam mit Lentos Direktorin Hemma Schmutz die Schau kuratiert hat, ist ebenfalls mit einer künstlerischen Arbeit vertreten. In Laminat (Opfer) (2019) inszeniert der Künstler Geschichte analog als Schichtungen.
Verschiedene Bedeutungsebenen, so der Bezug auf ein nationalsozialistisches Gemälde und das Logo der Identitären Bewegung, werden in Trompe-l'oeil Technik als Lagen von abgerissenen Plakaten dargestellt. Proschek unterzieht in der Doppelrolle als Künstler und Kurator das eigene Werk hier einer genauen Befragung: Die Quellen der Motive und Bezugsmaterialen für das Gemälde werden offengelegt. Ein feines Gewebe von verschiedenen Bezügen, dass sich durch die gesamte Ausstellung zieht.
„Mit Transformation und Wiederkehr im Lentos, Der junge Hitler im Nordico und dem EU-Projekt MemAct! setzen die Museen der Stadt Linz wieder einen zeitgeschichtlichen Schwerpunkt. Die zeitgenössische künstlerische Verhandlung radikaler Nationalismen, die geschichtliche Analyse der prägenden Jahre des Diktators und die pädagogische Aufarbeitung verstärken und unterstützen einander, um die Entstehung von Macht, Gewalt und den damit verbundenen Begehrensstrukturen sichtbar zu machen“, so Hemma Schmutz, Direktorin der Museen der Stadt Linz über das diesjährige Programm im Lentos und Nordico.
„Faschistische Positionen finden sich nicht nur im gesellschaftlichen Diskurs, sondern fließen ebenso in künstlerische und literarische Werke ein. Dem gilt es in jeder Form entgegenzuwirken und darüber aufzuklären. Das städtische Kunstmuseum Lentos hat sich dieser Aufgabe gestellt und leistet damit einen wichtigen Beitrag zur Auseinandersetzung mit totalitären und rechtsextremen Entwicklungen, insbesondere in Kunst und Literatur. Dies setzt die Tradition der Landeshauptstadt als Friedensstadt fort. Und es setzt ein klares Zeichen für eine offene, empathische und liberale Demokratie“, betont Bürgermeister Klaus Luger.
„Die Aufarbeitung des Lentos von Zeitgeschichte-Themen ist beispielhaft. Schon in der Vergangenheit wurde durch die Ausstellungen Wolfgang Gurlitt oder Tatiana Lecomte. Anschluss großes Fingerspitzengefühl bewiesen. Auch in dieser Ausstellung ist es gelungen ein heikles Thema wissenschaftlich fundiert aufzubereiten und als spannungsvolle Schau der Öffentlichkeit zu präsentieren“, so Doris Lang-Mayerhofer, Stadträtin für Kultur, Tourismus und Kreativwirtschaft der Stadt Linz.
KünstlerInnen
Monica Bonvicini, Keren Cytter, Martin Dammann, Ines Doujak, Riccardo Giacconi, Erez Israeli, Franz Kapfer, Laibach, Annika Larsson,
Henrike Naumann, Markus Proschek, Roee Rosen, Dennis Rudolph, Christina Werner.
Lentos Kunstmuseum
lentos.at
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