Das Museum Folkwang widmet Maria Lassnig (1919-2014) vom 10. März bis 21. Mai 2017 eine umfassende Retrospektive. Insgesamt 41 Gemälde und fünf Filme geben einen Überblick über das beeindruckende Lebenswerk der österreichischen Ausnahmekünstlerin. Lassnig zählt zu den bedeutendsten und innovativsten Malerinnen der Gegenwartskunst.
Maria Lassnig besticht mit ihrem unverkennbaren Stil: Zunächst vom Surrealismus und den informellen Strömungen beeinflusst, entwickelt sie bereits in den späten 1940er Jahren ihr Konzept der „Körperbewusstseins-Malerei“. Indem sie den eigenen Körper zum Gegenstand ihrer Kunst erklärt, nimmt sie unter anderem die feministische Body-Art der späten 1960er und 1970er Jahre vorweg. Sie setzt ihre Körperempfindungen in bildhafte Darstellungen um: „Da habe ich eine realistische Nase gemalt und dafür keinen Mund, weil ich den Mund nicht gefühlt habe“, erklärt sie.
Noch vor dem Wiener Aktionismus rückt Lassnig den eigenen Körper radikal ins Blickfeld. Damit steht sie für einen der wichtigsten Paradigmenwechsel des 20. Jahrhunderts. Heute, im Zeitalter der digitalen Entkörperlichung, ist das Werk der Künstlerin bedeutender denn je. Die Ausstellung zeigt die Bandbreite von Lassnigs frühen abstrakten, vom Informel inspirierten Körperumrissen über ihre Reflektionen des Sehens bis hin zu zahlreichen Selbstporträts. Lassnig weist dem Selbstporträt eine völlig andere Dimension zu, indem sie das spürbare Bewusstsein des eigenen Körpers als Kernthema ihrer Malerei setzt. Darunter sind beeindruckende malerische
Metamorphosen des Selbst: So treten Gegenstände wie ein Kochtopf an die Stelle von bestimmten Körperteilen, die Augen ersetzt Lassnig wiederholt durch Augenklappen, Brillen oder lässt sie gleich ganz weg.
In den 1950er Jahren eröffnet sich in der Begegnung mit André Breton und Paul Celan eine neue Welt für die Künstlerin, sie verarbeitet die verschiedensten Einflüsse vom Kubismus über den Surrealismus bis zum Informel. In ihren sogenannten ‚Flächenteilungsbildern‘ verknüpft sie das Empfinden für einzelne Körperteile mit bestimmten Farben. Später spricht sie von „Schmerzfarben, Spannungsfarben, Kälte- und Wärmefarben“. Aus diesem Ansatz entwickelt sie in den 1960er Jahren großformatige abstrakt anmutende Malereien, die den meist kopflosen Körper nur lose umreißen, fast auflösen, aber eben doch treffend fassen.
Elementar für das Werk von Maria Lassnig ist die Reflektion des Malprozesses selbst. Die Leinwand und der Pinsel sind wie sie selbst immer wieder Bildgegenstand, Pinsel und Stift bezeichnet sie als ihre „Urzustandswerkzeuge“. In den 1980er Jahren entsteht die Serie Innerhalb und Außerhalb der Leinwand, hier steigen Figuren durch die Leinwand und führen auf verschiedene Weise die Differenz zwischen den Ebenen ad absurdum.
Immer wieder multiplizieren sich auf ihren Gemälden die Körper, wie auf dem Werk Krankenhaus (2005), oder sie gesellen sich zu Doppelgängern wie auf Zwei Arten zu sein / Doppelselbstporträt (2000). Die Ausstellung zeigt zudem einige sehr persönliche Gemälde, auf denen Lassnig den Tod ihrer Mutter im Jahr 1964 thematisiert. Während in Selbstporträt mit Stab (1971) die Mutter ihr scheinbar geisterhaft aus einem Bild im Gemälde heraus auf die Schultern fasst, liegt Lassnig auf Kind mit toter Mutter (1965) neben dem toten Körper und erscheint dabei selbst schon halb gestorben.
Einen zentralen Aspekt ihres Werkes entwickelt sie in den 1970er Jahren. Maria Lassnig lebt in New York und beginnt sich mit dem Medium Film auseinanderzusetzen. Die Ausstellung präsentiert ihre faszinierenden filmischen Werke in mehreren Räumen. Neben ihrem Bezug zur Malerei zeigen sie auch die humoristische Selbstcharakterisierung und deren weit über die Malerei hinausgehenden erzählerischen Elemente. Beispielgebend ist der Film Chairs (1971), in diesem nehmen gewöhnliche Stühle menschliche Gestalt an und wandeln sich unaufhörlich.
Obwohl sich Maria Lassnig zwischen den Kunstzentren Paris, New York und Wien bewegt, beginnt die eingehende Würdigung ihres Werkes erst 1980, als die Künstlerin fast 60 Jahre alt ist. Zusammen mit Valie Export vertritt sie Österreich auf der Biennale in Venedig und erhält im selben Jahr einen Ruf als Professorin für Malerei an die Hochschule für angewandte Kunst in Wien. Damit wird sie die erste Professorin für Malerei an einer Akademie im deutschsprachigen Raum.
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