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Das Schweigen von Marcel Duchamp wird überbewertet



Eingabedatum: 02.06.2025



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Wenige Sätze in der Kunstgeschichte des 20. Jahrhunderts haben eine derart pointierte und nachhaltige Debatte ausgelöst wie die Feststellung: "Das Schweigen von Marcel Duchamp wird überbewertet." Geprägt wurde dieser Ausspruch 1964 von Joseph Beuys während einer Fluxus-Aktion und er hallt bis heute im Diskurs über Kunst, Künstlerrolle und kunsthistorische Mythenbildung nach.

Marcel Duchamp (1887-1968), der Erfinder des Readymades und eine Schlüsselfigur der konzeptuellen Kunst, kultivierte über Jahrzehnte eine Aura des Rückzugs und der scheinbaren Untätigkeit. Nach der Arbeit am "Großen Glas" (1915-1923) schien er sich weitgehend von der aktiven Kunstproduktion abzuwenden, um sich, so die verbreitete Legende, primär dem Schachspiel zu widmen. Dieses "Schweigen" – verstanden als Absage an den traditionellen Kunstbetrieb, als Infragestellung des Geniekults und als strategische Verweigerung – wurde zu einem integralen Bestandteil seines Mythos. Kunsthistoriker und Kritiker interpretierten es als eine radikale Geste, als Fortsetzung seiner künstlerischen Revolution mit anderen Mitteln, als leisen, aber umso wirkungsvolleren Kommentar zur Kunst und ihrem Markt.

Beuys' Intervention: Ein Aufruf zum Dialog

In dieses etablierte Narrativ platzte Joseph Beuys (1921-1986) mit seiner plakativen These. Die Aktion fand im Rahmen des "Festivals der Neuen Kunst" an der Technischen Hochschule Aachen statt, einem Schmelztiegel der damaligen Avantgarde. Beuys, dessen Kunstbegriff auf Kommunikation, sozialer Plastik und der transformativen Kraft der Kunst in der Gesellschaft basierte, sah in Duchamps Haltung eine problematische Distanzierung. Für Beuys war Kunst ein lebendiger Prozess, der den Dialog erforderte, eine "warme", gesellschaftsverändernde Energie, die dem eher kühlen, intellektuellen und als elitär empfundenen Ansatz Duchamps entgegenstand.

Die Aussage "Das Schweigen von Marcel Duchamp wird überbewertet" war somit mehr als nur eine persönliche Meinung; sie war ein künstlerisches Statement, eine performative Intervention. Beuys kritisierte nicht Duchamps Werk an sich, sondern die seiner Ansicht nach übermäßige Verklärung dessen, was als dessen künstlerische Enthaltsamkeit interpretiert wurde. Für Beuys war ein solches Schweigen im Angesicht der gesellschaftlichen Herausforderungen seiner Zeit keine adäquate künstlerische Antwort. Er forderte stattdessen eine Kunst, die "spricht", die sich einmischt und Verantwortung übernimmt. Sein berühmtes Diktum "Jeder Mensch ist ein Künstler" steht im direkten Kontrast zu einer duchampschen Haltung, die eher auf Exklusivität und intellektuelle Raffinesse zu setzen schien.

Die Auswirkungen auf den kunsthistorischen Diskurs

Beuys' Satz fungierte als Katalysator für eine kritischere Auseinandersetzung mit der Figur Duchamp. Er öffnete die Tür für Interpretationen, die Duchamps "Schweigen" nicht nur als passive Zurückhaltung, sondern auch als eine kalkulierte Strategie der Selbstinszenierung sahen. Die lange, geheime Arbeit an seinem letzten großen Werk "Étant donnés: 1° la chute d’eau, 2° le gaz d’éclairage," das erst posthum bekannt wurde, stellt das Narrativ des totalen Rückzugs ohnehin in Frage und zeigt vielmehr ein Schweigen über eine massive künstlerische Produktion.

Die Provokation von Beuys zwang die Kunstgeschichte, die kanonische Verehrung Duchamps zu hinterfragen und die Ambivalenzen in dessen Werk und Rezeption genauer zu beleuchten. Es entstand eine produktive Spannung zwischen zwei der einflussreichsten Künstler des 20. Jahrhunderts, deren Positionen – der analytisch-distanzierte Konzeptualist versus der schamanisch-engagierte Sozialplastiker – bis heute Pole markieren, zwischen denen sich künstlerische Praxis bewegt.

Ein Satz mit anhaltender Relevanz

Die Aussage "Das Schweigen von Marcel Duchamp wird überbewertet" hat ihre Sprengkraft nicht verloren. Sie erinnert uns daran, dass kunsthistorische Narrative nicht in Stein gemeißelt sind, sondern ständiger Neubewertung und kritischer Reflexion bedürfen. Sie stellt die Frage nach dem Wert und der Bedeutung von künstlerischer Stille, von Verweigerung und von Kommunikation in einer sich ständig wandelnden Welt.

Auch wenn Duchamps Einfluss auf die nachfolgenden Künstlergenerationen unbestritten ist und sein "Schweigen" weiterhin als komplexe künstlerische Strategie fasziniert, hat Beuys' Intervention dazu beigetragen, eine kritische Distanz zu wahren und die Mystifizierung einer Künstlerpersönlichkeit zu durchbrechen. Der Satz bleibt somit ein wichtiger Referenzpunkt für jeden, der sich mit der Rolle des Künstlers und der Interpretation von Kunst im Spannungsfeld von intellektueller Reflexion und gesellschaftlichem Engagement auseinandersetzt. Er fordert uns auf, genau hinzuhören – auch wenn einer schweigt und ein anderer dies für überbewertet erklärt.

Turbulentes Fluxus-Happening mit Beuys in Aachen
07.09.1964 ∙ WDR Retro ∙ Hier und heute ∙ WDR
Eine Aktionskunst-Veranstaltung im Rahmen des Festivals der Neuen Kunst in Aachen endet in einer Schlägerei mit Polizeieinsatz.
Am Happening beteiligte zeitgenössische Künstler sind unter anderem Joseph Beuys, Wolf Vostell, Robert Filliou, Bazon Brock und Blinky Palermo.
www.ardmediathek.de
ct

Anmerkungen zum Textkorpus



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